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Langenscheidt Hund-Deutsch, Deutsch-Hund

Langenscheidt Hund-Deutsch, Deutsch-Hund

Titel: Langenscheidt Hund-Deutsch, Deutsch-Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Ruetter
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zu vernehmen ist – zu vertuschen versucht, hat schon etwas sehr Komisches. Schließlich geht auch keiner mit Knieschmerzen zum Orthopäden, um dann mit 50 Kniebeugen zu demonstrieren, dass alles nur halb so wild ist.
    Nun gut, nach etwa 20 Sekunden verstummt das Tier und ich denke: „Na prima, bin ja nur ein bisschen nass geworden, jetzt macht Frauchen auf.“ Pustekuchen! Jetzt vernehme ich hinter verschlossener Tür: „Sitz!“ „Aha“, denke ich, „nun gibt es nach der Verschleierungstaktik noch eine kleine Demonstration des tierischen Könnens.“ Eine pure Freude, wenn man seit einer halben Minute im strömenden Regen steht. Auf „Sitz!“ folgen noch drei weitere Kommandos – nämlich „Siiitz!“, „Machst du wohl Sitz!“ und „ SITZ! “ (Letzteres schallt mit 95 Dezibel durch die gesamte Nachbarschaft).
    Die Dame des Hauses hat mir nun bereits seit einer Minute bewiesen, dass ihr Hund ganze vier verschiedene Kommandos beherrscht für „sich Hinsetzen, wenn ein Mensch es sich verzweifelt wünscht“. Für einen kurzen Moment kehrt Stille ein, und ich hoffe ins Haus zu gelangen, bevor meine Jacke wetterbedingt drei Kilo mehr wiegt. Doch weit gefehlt. Jetzt vernehme ich eine Art Hypnosesprache – singend ist „Bleiiib!“, „Bleiiib!“, „Bleeeiiib!“ zu vernehmen. Ein spannendes Phänomen, welches ich an mir selbst auch schon entdeckt habe. Wir Menschen scheinen ernsthaft zu glauben, dass man einen Hund in Hypnose versetzen kann und er da bleibt, wo er ist, wenn wir nicht nur „Bleib!“ zu ihm sagen, sondern es auch wirklich wünschen.
    „Viel spannender finde ich, dass Martin seit Jahren glaubt, ich würde ‚bleiben‘, weil er seine flache Hand in meine Richtung streckt. Weit gefehlt: Meiner großen Güte hat er es zu verdanken! Und der Tatsache, dass ich in meinem Alter ab und an ein Päuschen gut vertragen kann. Also, liebe Hunde: Lasst eure Menschen ruhig in dem Glauben – das trägt zur allgemeinen Entspannung bei.“
    Inzwischen sind eineinhalb Minuten vergangen, und Schritte nähern sich der Haustür. Meine Hoffnung wird genährt, dass ich nun endlich ins Trockene darf. Ich höre, wie eine Menschenhand die Türklinke ergreift. Doch noch bevor sich die Tür öffnet, ruft Frauchen laut: „NEIN, gehst du wohl zurück. NEIN!!! ZUUURÜCK!!!“ Sie ahnen es, der Hund ist natürlich nicht dort geblieben, wo Frauchen ihn gerne gehabt hätte. Spätestens in diesem Moment ist mir klar, dass ich noch etwas länger im Regen warten muss.
    In den weiteren zwei Minuten wiederholt sich das ganze Szenario: Angefangen bei „Sitz!“, „Siiitz!“, „Machst du wohl Sitz!“ bis zu „Bleiiib!“, „Bleiiib!“, „Bleeeiiib!“. Ich resigniere komplett, nehme mir aber vor, beim nächsten Hausbesuch wetterfeste Kleidung anzuziehen, obwohl man sie für die kurze Strecke zum Haus eigentlich nicht benötigt.
    Nach geschlagenen dreieinhalb Minuten macht mir die Dame des Hauses endlich die Tür auf – allerdings nur einen kleinen Spalt. Das Fluchtrisiko des Hundes scheint noch zu hoch zu sein. Mit seitlich angelegten Armen schlängele ich mich ins Trockene. Interessanterweise schaut mir dabei nur der Hund zu. Das Frauchen steht seitlich in vorgebeugter Haltung etwa 50 Zentimeter vor dem Hund – die Handinnenflächen des ausgestreckten Arms in Richtung Hundekopf. Gleichzeitig sagt sie immer wieder: „Bleiiib, bleiiib, bleeeiiib!!!“ Mit der anderen Hand winkt das Frauchen in meine Richtung und meint: „Kommen Sie rein. Der tut nix!“
    Mich hat sie tatsächlich noch nicht eines Blickes gewürdigt, denn ihr 40 Kilo schwerer Hund sitzt zwar, zittert aber vor Erregung und ist so aufgeregt wie ein Rennpferd in der Startbox. In ihrem „Kommen Sie rein“ schwingt ein vorwurfsvoller Unterton. Es klingt, als wolle sie eigentlich sagen: „Jetzt kommen Sie doch endlich rein! Wie lange soll ich denn noch warten?“ Als sie hört, dass die Tür ins Schloss gefallen und der „hündische Hochsicherheitstrakt“ wieder verriegelt ist, entspannt sie sich und richtet sich auf. Sie wendet sich mit einem erleichterten Lächeln kurz zu mir und setzt dem Ganzen die Krone auf, indem sie mit lauter und animierender Stimme zu ihrem Hund sagt: „Ja guck mal, wer da gekommen ist!“ Und den 40 Kilo schweren, hocherregten Hund zu mir schickt. Tatsächlich, er „guckt“ mal … In aller Regel geschieht das „Gucken“ mit einem gezielten Sprung in meine Magengegend – manchmal leider auch ein paar Zentimeter

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