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Langenscheidt Hund-Deutsch, Deutsch-Hund

Langenscheidt Hund-Deutsch, Deutsch-Hund

Titel: Langenscheidt Hund-Deutsch, Deutsch-Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Ruetter
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füttern. Das extremste Beispiel dafür, dass Hunde uns ziemlich gut beobachten und dadurch auch sehr gut kennen, erlebe ich oft bei den ersten Trainingseinheiten mit Kunden.
    Unter den Hunden spielt es eine große Rolle, wer agiert und wer reagiert. Diejenigen, die sich nicht ständig um andere kümmern und auf deren Buhlen hin eine Reaktion zeigen, entwickeln sich meistens zu ranghöheren Tieren. Dies ist natürlich nicht das einzige Kriterium. Wer sich in der Rangordnung oben etablieren will, muss sich souverän und intelligent verhalten.
    Uns Menschen ist gar nicht bewusst, WIE oft und WIE intensiv wir auf die Aktivitäten unseres Hundes reagieren und dadurch den passiven Part übernehmen. Deshalb bitte ich meine Kunden manchmal, eine Art Selbsterfahrung zu machen und den Hund für 48 Stunden in den eigenen vier Wänden zu ignorieren: kein Streicheln, kein Ansprechen und kein direktes Anschauen. Lediglich zum Gassigehen gibt es eine kurze Interaktion – der Hund wird wortlos angeleint. Draußen darf der Hund dann ruhig „dauerbesprochen“ und „dauerbespielt“ werden. Hierbei geht es nicht um ein Training, sondern darum, den Menschen klarzumachen, wie oft sie auf den Hund einplappern, ihn streicheln etc., nachdem der Hund dies gefordert hat.
    Und nicht nur für mich, sondern für nahezu alle Hundemenschen, die ich kennengelernt habe, sind diese 48 Stunden die Hölle. Nach spätestens einer Stunde klingelt mein Handy – meistens habe ich dann den Vater am Telefon. Wie in einer Selbsthilfegruppe beichtet er mit leiser Stimme: „Martin, ich habe gestreichelt …“ Ich stehe natürlich mit aller gebotenen Ernsthaftigkeit zur Seite: „Na ja, ist nicht so schlimm. Fangen die 48 Stunden halt von vorne an. Nur Mut, das wird schon.“

    Eine weitere Stunde vergeht und Frauchen ist am Apparat: „Martin, ich habe angesprochen und gestreichelt.“ Zwei weitere Stunden gehen ins Land und Herrchen ist wieder dran mit einem Hilferuf: „Was soll ich nur machen? Er stupst mich dauernd an!“ Ich motiviere alle weiterzumachen mit dem Versprechen, dass sie das Experiment danach NIE mehr wiederholen müssen. Es gehe lediglich darum zu zeigen, wie intensiv ihr Hund sie beeinflusst und, und, und …
    Die Familienmitglieder verbünden und versprechen sich nun, gemeinsam durchzuhalten. Tatsächlich schaffen sie es gute 36 Stunden. Der Hund hat in dieser Zeit das komplette Programm an „Nervereien“ und „Kümmer-dich-um-mich-Spielchen“ durchgezogen: Er hat die Topfpflanzen angepinkelt, die Kinder laut angebellt, Frauchen auf Schritt und Tritt verfolgt, Herrchens Unterwäsche im Garten verbuddelt etc. So langsam registriert der Hund, dass die Menschen scheinbar alle Regeln und Verhaltensweisen der letzten Jahre auf den Kopf stellen wollen. Ihm wird klar, dass es jetzt an der Zeit für Plan B ist ...
    Am Abend, als sich die ganze Familie zur kollektiven Apathie vor den Fernseher „gesellt“ hat, stellt er sich mitten ins Wohnzimmer. Aber nicht nur das! Nein, er nimmt dabei eine Körperhaltung ein, die vermuten lässt, dass er – trotz seines jugendlichen Alters von zwei Jahren – über Nacht eine schreckliche Arthrose bekommen hat. Mit nach unten zeigender Rute, rundem Rücken und hängenden Ohren steht er nun vor dem
    Fernseher. Sofort beginnen die Kinder zu fragen: „Papa, ist Bello krank? Schau mal, wie er steht.“ Vater antwortet gleich energisch: „Pst! Du sollst doch nicht mit ihm reden!“ Nun klinkt sich die Mutter ins Gespräch ein: „Aber sie reden ja nicht MIT, sondern ÜBER ihn. Und außerdem finde ich auch, dass er sehr bedrückt aussieht.“
    Jetzt läuft der Hund natürlich zur Hochform auf. Er hat ganz genau gemerkt, dass über ihn geredet wird und er anscheinend auf dem richtigen Weg ist. Also dreht er sich um und schleppt sich, scheinbar mit letzter Kraft, in Richtung Körbchen. Dabei schleifen die Krallen demonstrativ über den Boden. Die ganze Familie ist entsetzt über dieses Bild des Schreckens: ein ganz und gar geschundener, depressiv wirkender Hund. So schleppt sich der Hund den 2,38 Meter langen Weg zu seiner Ruhestätte. Dort angekommen, klettert er mit größter Mühe hinein, dreht sich zwei- bis dreimal im Kreis und hält für einen kurzen Moment inne. Dabei schaut er einen aus der Familie intensiv an.
    „Kurzer Tipp an ALLE Hunde: Nehmt Herrchen ins Visier. Der wird viel schneller weich …“
    Mit einem lang gezogenen Seufzer „uuufffhhh“ lässt er sich endlich nieder. Spätestens

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