Lass dich lieben - Lucy
und beendete das Gespräch. Lucy würde einen Mann nie warten lassen. Sie war stets auf die Minute pünktlich und achtete darauf, dass Verabredungen eingehalten wurden.
Mit wachsendem Missvergnügen widmete James sich der Beantwortung der dringendsten E-Mails. Dann fertigte er Ausdrucke für die Akten an und notierte die Punkte, die Lucy noch überprüfen sollte. Sie übersah nie ein Detail, ein Vorzug, den er sehr an ihr schätzte. Er konnte sich darauf verlassen, dass sie alles richtig machte. Keine Ausflüchte. Peinliche Genauigkeit.
James rief sie zu sich, die Anweisungen hatte er bereits an die diversen Unterlagen geklammert. Lächelnd betrachtete er sie, als sie hereinkam. Sie trug ein marineblaues Kleid von zeitloser Eleganz – genau das, was eine vernünftige Karrierefrau kaufte. Sie konnte es bei jeder Gelegenheit tragen, und es würde nie unmodern werden.
Der Rock endete knapp über dem Knie. Minis waren nichts für Lucy. Was er allerdings bislang von ihren Beinen gesehen hatte – wohlgeformte Waden und schlanke Fesseln – verriet, dass sie einen durchaus überwältigenden Anblick bieten würden. Nur gut, dass sie sie nicht zur Schau stellt, sagte er sich und erfreute sich an ihrer sittsam verhüllten zierlichen Figur.
Da Lucy gerade durchschnittlich groß war, konnte man sie kaum als stattlich bezeichnen, doch sie besaß überaus ansprechende Kurven, und die Art, wie sie die Hüften bewegte, war absolut hinreißend. Und verführerisch. Rasch verdrängte James diese gefährlichen Gedanken und konzentrierte sich auf ihr Gesicht.
Ein bezauberndes Gesicht, nicht unbedingt hübsch, obwohl er sich vorstellen konnte, dass es mit dem richtigen Make-up atemberaubend wirken würde. Es war perfekt geschnitten, obwohl ihm die Brille einen etwas altmodischen Ausdruck verlieh, der durch den strengen Chignon betont wurde, zu dem sie ihr Haar frisiert hatte. James konnte sich nicht erinnern, dass sich je eine Locke daraus befreit hätte.
Der Gedanke, die Nadeln aus der seidigen braunen Fülle zu ziehen, hatte etwas ungemein Verlockendes. Würde Lucy auch in anderer Hinsicht lockerer werden? Wenn er ihr die Brille fortnahm, was würde er dann in ihren Augen sehen?
Momentan sah er nur gespannte Intelligenz. Lucy hatte nur das Geschäft im Sinn.
Ein wenig gekränkt über ihr mangelndes Interesse an dem, was viele Frauen an ihm begehrenswert fanden, fragte er spontan: »Ist er Buchhalter?« Und biss sich sofort auf die Zunge, weil Lucy ihm derart unter die Haut ging.
Verwundert zog sie die Brauen hoch. »Von wem sprechen Sie?«
Statt das Thema zu wechseln – das einzig Vernünftige, was er in dieser Situation tun konnte –, verlor James vollends den Kopf, getrieben von brennender Neugier und rebellischen Hormonen. »Von Ihrem Begleiter heute Abend.«
»Sie wollen wissen, ob er Buchhalter ist?«
»Ist er?«
»Brauchen Sie auf dem Ball einen Buchhalter?«
»Nein, brauche ich nicht.«
»Warum fragen Sie dann?« erkundigte sie sich misstrauisch. Ja, warum eigentlich? James presste die Lippen zusammen. Er würde keine befriedigende Auskunft erhalten und sich nur zum Narren machen. Fieberhaft suchte er nach einem Ausweg.
»Die Konversation ist leichter, wenn ich über die Gäste informiert bin. Ihr Begleiter ist der Einzige an unserem Tisch, den ich nicht kenne.«
Sie sah ihn an, hob trotzig das Kinn und straffte die Schul- tern. Ihr ganzer Körper wirkte auf einmal angespannt. Selbst die Hände ballte sie zu Fäusten. James befiel das ungute Gefühl, dass sie ihn am liebsten geohrfeigt hätte. Das war natürlich lächerlich! Schließlich hatte er eine plausible Erklärung geliefert. Er wusste tatsächlich gern über die Leute Bescheid, bevor er jemanden traf. Lucy war das bekannt.
Allerdings musste er zugeben, dass es sich hierbei um ein eher persönliches als geschäftliches Problem handelte. Ihr Begleiter ging ihn eigentlich nichts an. Vielleicht lag es nur an den Brillengläsern, dass ihre Augen zu funkeln und Blitze zu sprühen schienen. Zum Teufel! Er würde den Typ heute Abend ohnehin kennen lernen, warum, um alles in der Welt, war sie also verärgert?
»Warum glauben Sie, mein Begleiter wäre Buchhalter, James?« fragte sie frostig.
»Ist er Buchhalter?« Allmählich nervten ihn ihre Ausweichmanöver.
»Normalerweise werden Buchhalter für langweilig gehalten.« Erneut vermied sie eine offene Antwort.
»Keineswegs. Ich finde, sie sind sehr intelligent, clever und gerissen«, erwiderte
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