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Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Titel: Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Domentat
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beruflich mache. Als ich sagte:
    »Ich bin Prostituierte«, erwiderte sie entrüstet: »Das ist doch kein Beruf!«
     
    Die Prostitutionsforscherinnen Beate Leopold und Elfriede Steffan kennen das Problem. »Prostituierte mit sozialen und psychischen Problemen haben in der Regel nur wenig Möglichkeiten und Chancen, in allgemeinen Beratungsstellen bei Offenlegung ihrer Tätigkeit kompetente und vorurteilsfreie Beratung und Unterstützung zu erhalten«, so die Wissenschaftlerinnen. »Psychologische und therapeutische Angebote, die sich auf Frauen mit Prostitutionserfahrung einstellen können, sind sehr selten.«29 Auch die Experten an der Beratungsfront nehmen oft nur den Ausschnitt wahr, mit dem sie selbst konfrontiert sind, vermitteln aber den Eindruck von Allwissenheit. Daß sich ein Großteil der privaten Anzeigen-, Gelegenheits-und Luxusprostitution dem Einflußbereich und der unmittelbaren Wahrnehmung der Ämter und Beratungsstellen entzieht, wird gern kleingeredet. Dabei gehen zahllose Frauen nur dann und wann der Prostitution nach und/oder lassen sich von niedergelassenen Gynäkologen untersuchen, ohne die eigene Prostitutionstätigkeit offenzulegen. Im Sommer 2001 fragte ich eine Amtsärztin, die Prostituierte auf sexuell übertragbare Krankheiten untersucht, nach Zusammenhängen zwischen Arbeitsbedingungen und gesundheitlichen Belastungen in der Sexarbeit. »Es gibt keine Form der Prostitution ohne belastende Wesensveränderungen«, entgegnete sie. Ich gab zu bedenken, daß sie nur Frauen mit Beratungsbedarf sieht. »Wenn Frauen behaupten, daß sie sich in der Prostitution wohl fühlen«, erwiderte sie, »dann muß man das in Frage stellen. Das sind Nachtschattengewächse, die sich isolieren, selbst aufgeben und sich die Wirklichkeit schönreden.« Ein Statement, das irgendwie an den Spruch vom lichtscheuen Gesindel erinnert.
    Ich konfrontierte einige Sexarbeiterinnen mit der Ansicht der Expertin. Redeten sie sich die Arbeit schön? Betrogen sie sich selber?
    »Natürlich gibt es manchmal Kunden, bei denen ich denke, da bist du aber froh, wenn der wieder weg ist«, erwiderte Mia, »aber meinen Sie denn, ich wäre seit 26 Jahren Hure, wenn mir die Arbeit absolut keinen Spaß machen würde? Ich hätte doch auch in meinem Lehrberuf arbeiten können!« Nadja entgegnete: »Also ich denke nicht, daß meine Würde darunter leidet, daß ich der Sexarbeit nachgehe. Im Gegenteil: Ich gehe lieber für Geld anschaffen, als daß ich durch die Diskotheken ziehe und es unentgeltlich mache.« Eine Domina meinte:
     
    »Sollen uns die bürgerlichen Frauen ruhig verachten, wir haben eindeutig mehr Spaß.« Und die Sozialarbeiterin Larissa argumentierte:
    »Sicher wird es Frauen geben, denen es nicht gut geht und die sich das nicht eingestehen wollen, weil sie vielleicht auch keine Alternative haben. Aber es gibt auch viele Frauen, die sich bewußt für die Sexarbeit entscheiden und durchaus berufliche Alternativen haben.
    Wenn man denen sagt: ›Frauen, ihr tut euch nichts Gutes‹, dann ist das in meinen Augen eine Form der Diskriminierung und Stigmatisierung.« Aus den Antworten geht sonnenklar hervor: Wenn die Sexarbeit zur Belastung wird, dann liegt das nicht an einer ominösen, unveränderlichen »Natur« des sexuelle n Tauschgeschäftes, sondern an den konkreten Bedingungen, unter denen sie stattfindet, an mangelnden Wahlmöglichkeiten oder ungünstigen Einstiegsbedingungen. Zwischen den Sexualprojektionen unserer Gesellschaft und dem subjektiven Empfinden vieler Frauen klafft ein Abgrund der Ignoranz und der Vorurteile.
    Fragt man umgekehrt, welche Aspekte ihrer Arbeit die Frauen als bereichernd erleben, fallen oft sehr konkrete Gründe, wie eine Forschergruppe um den amerikanischen Sexologen Alfred Kinsey schon in den fünfziger Jahren herausfand. Fast zwei Drittel eines von ihr befragten Prostituiertensamples bereute ihre Berufswahl nicht. Die Frauen berichteten, sie seien in die Sexarbeit eingestiegen, weil diese ein gutes Einkommen bot, eine Möglichkeit, interessante Leute kennenzulernen, weil der Beruf relativ leicht auszuüben sei, Spaß mache und sexuelles Vergnügen bereite. Die Selbstaussagen der Frauen standen in krassem Gegensatz zur damaligen Lehrmeinung, die, beherrscht von der Psychopathologie Freudscher Prägung, Prostituierten ahlweise mangelnde Ich-Stärke oder Frigidität unterstelltet An den Pro-Prostitutionsargumenten der Frauen hat sich bis heute nicht viel verändert. »Mit vergleichsweise

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