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Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Titel: Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Domentat
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angelegt sind. Wenn illegale Prostituierte, die ständig im Einsatz sind und selten zur Ruhe kommen, unter Erschöpfungs-zuständen leiden, dann nicht wegen ihrer sexuellen Aktivitäten, sondern weil sie gnadenlos ausgebeutet werden. Julia, die selbst bestimmt, wie viele Gäste sie betreut, kann sich »über negative Folgen der Arbeit nicht beklagen. Die Kunden stehen ja nicht täglich bei mir auf der Matte. Ich habe keinen Achtstundentag, wo ich Stunde um Stunde ein anderes Gesicht sehe. Meine Erholungspausen sind relativ lang, von daher kenne ich auch ke ine Burn-outs.« Viele Sexarbeiterinnen achten bewußt auf ihre Gesundheit, Fitness und eine perfekte Körperpflege. Kein Wunder: Ihre Körper, ihre Ausstrahlung und Vitalität sind ihr Kapital.
     
    Das Bordell war ein halber Heilpraktikerladen:
    Larissa
     
    Dadurc h, daß es bei uns eine Küche gab, haben wir eigentlich alle recht gesund gelebt. Jede Frau brachte ihren persönlichen Gesundheitstee mit, ich selbst trank gern grünen oder Pu-Errh-Tee. Mittags habe ich mir oft einen Salat bestellt und dazu eine Kartoffel gekocht. Wenn ich in einer Bar gearbeitet hätte, dann hätte ich tierisch viel Nikotin eingeatmet und vielleicht auch mal ein Bier getrunken. Im Laden tranken wir nur selten Alkohol, höchstens mal ein Schlückchen Sekt, wenn es etwas zu feiern gab. Es war ein halber Heilpraktikerladen bei uns. Überall lagen Gesundheitsbücher herum, jede Menge Tips wurden ausgetauscht. Natürlich war auch die Hautpflege wichtig.
    Meine Haut war damals weich wie ein Kinderpopo, meine Nägel waren lackiert, die Körperhaare gepflegt. Ich habe mich als Hure viel attraktiver gefühlt als in meinem jetzigen Beruf. Hier gibt es keinen großen Spiegel, in dem ich mich von Kopf bis Fuß betrachten kann. Das Neonlicht auf der Toilette ist gräßlich, geradezu klinikmäßig hart, und der Spiegel verzerrt das Aussehen. Ich kann es nicht mehr ausstehen, wenn alle mitbekommen, daß ich vor dem Spiegel stehe und mich schminke. Im Puff stehen alle vorm Spiegel, da gehört es dazu. Wenn sie sich vorstellen gehen, ziehen sie den Lippenstift nach oder machen sich die Haare. In meinem jetzigen Beruf fühle ich mich nicht besonders erotisch.
    Manchmal fehlt mir das.
     
    Während die Gefahren der Sexarbeit im Hinblick auf die Frauen gern dramatisiert werden, käme wohl kaum jemand auf die Idee, Prostitutionskunden psychische Folgeschäden zu unterstellen. Welche Logik jedoch dafür sorgt, daß ein gemeinsamer Sexakt automatisch konträr erlebt und verarbeitet wird, sobald ein oder mehrere Geldscheine im Spiel sind, bleibt unklar. Warum sollten Frauen durch unpersönlichen Sex beziehungsunfähig werden, während Männer unverbindlichen Sex und private Bindungen miteinander vereinbaren können? Welche Motive, Defizite, Umstände machen aus Männern Prostitutionskunden? Ist die sprichwörtliche sexuelle Unersättlichkeit von Männern testosteronbedingt, anderweitig in ihrem genetischen Code verankert oder schlichtweg ein Mythos? Sind Vergewaltigung, Mißbrauch und Prostitution graduell abgestufte Formen sexualisierter Gewalt? Warum fährt ein Mann den Babystrich ab, während ein anderer sich lieber fesseln, knebeln und züchtigen läßt? Warum bleibt ein Freier einer Prostituierten jahrzehntelang treu, während ein anderer die Dienstleisterin permanent wechselt? Warum gehen Männer gruppenweise ins Bordell, und wie beschreiben sie ihre erkauften Sexabenteuer? Mit anderen Worten: Wie sieht das sexuelle Tauschgeschäft aus der Perspektive der Nachfrageseite aus?
     
    4 DIE MÄNNER
     
    Genuß ohne Folgekosten: Wolfgang
     
    Bis zu meinem 37. Lebensjahr spielte sich mein Sexleben weitgehend in bürgerlichen Bahnen ab. Meine ersten Erfahrungen sammelte ich mit einer Reihe Freundinnen und Tanzbekanntschaften, bis ich meine zukünftige Frau Regine traf und mich auf Anhieb in sie verliebte. Wir schworen uns Treue und heirateten. Ihr zuliebe verbrannte ich sämtliche Fotos me iner Verflossenen, und selbst nach acht Ehejahren erlebten wir nur selten das, was man Routinesex nennt. So dachte ich jedenfalls. Als mir meine Frau eines Tages erzählte, daß sie eine Affäre mit einem Arbeitskollegen angefangen hatte, brach für mich eine Welt zusammen.
    Schockiert und tief gekränkt, versuchte ich eine Zeitlang, die Situation zu akzeptieren. Ich liebte sie, und außerdem hatten wir eine kleine Tochter. Doch als meine Eifersucht nicht nachließ und wir uns weder versöhnen noch darauf verständigen

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