Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
doppelte Moral auch heutzutage noch die sexuellen und sozialen Identitäten von Frauen.
Für ihre jeweiligen Lebensstile zahlen Monogamistinnen und promisk lebende Frauen unterschiedliche Preise. Müssen die einen die selbstwertmindernden Auswirkungen des Stigmas abwehren, so setzen sich die anderen mit Lügen und sexuellen Identitätsschwächen auseinander, wenn der Mann »fremdgeht«. Wenn die Fassade der bürgerlichen Märchenwelt erste Risse bekommt, wird vielen Frauen klar, daß sie im Namen eines Beziehungsideals auch sexuell verzichtet haben, und zwar selten aus einer natürlichen Lust an der sexuellen Beschränkung. Vieles spricht dafür, daß Frauen die sexuellen Freiheiten ihrer Partner keineswegs neidlos tolerieren: steigende Zahlen untreuer Frauen ebenso wie moralische Überheblichkeit und feministisch inspirierte Haßtiraden auf untreue Männer. Wenn Frauen keinerlei Bedürfnisse nach sexueller Abwechslung hätten, könnten sie ihren promisken Partnern ja gelassen gegenübertreten und deren Neigung, ihr Sperma nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen, ebenso leidenschaftslos akzeptieren wie ihre Fähigkeit, schneller zu laufen, schwerer zu heben oder mehr Alkohol zu trinken.
Der Konflikt um sexuelle Identitäten spiegelt sich auch in der Strenge, mit der sich manche bürgerlichen Frauen zum Thema Sexarbeit äußern. »Prima Puff in Wilmersdorf, und jetzt auch noch erlaubt«, schrieb Tissy Bruns im Tagesspiegel nach dem Richterspruch in Sachen Bezirksamt Wilmersdorf gegen das Cafe Pssst! und fragte weiter: »Kann eine neue Akzeptanz der Prostitution daraus hergeleitet werden, dass man Frauen nicht bevormunden darf?
(...) Prostitution bleibt unsittlich, auch wenn Staat und Rechtsprechung sie legalisieren.«99 Es ist kein Zufall, daß sich der Ärger bürgerlicher Frauen oder auch der sozial-reformerische Eifer abolitionistischer Frauenverbände bevorzugt an den selbstbestimmten Formen der Prostitution entzünden.
Hier lief schon immer ein verdeckter, aber erbitterter Konkurrenzkampf um verdrängte Kosten-Nutzen-Rechnungen. Er kreist um die unausgesprochene Frage: Wenn sexuelle Freiheit ohne Ressourcen-und Ansehensverluste möglich ist, worin besteht dann der Sinn von Tugend, Treue, Beziehungsarbeit? Warum in Diäten, Fitness-Studios und Schönheitsoperationen investieren, wenn Durchschnittsfrauen sexuell begehrt werden, Spaß haben und mit Sex auch noch Geld verdienen? Warum Verzicht üben? Weil sie sich der Vitahtäts-und Autonomieeinbußen bewußt sind, die sie im Namen der Liebe und der Treue auf sich nehmen, beteiligen sich auch bürgerliche Frauen an einer pauschalen Abwertung der Prostitution, indem sie Sexarbeiterinnen psychische Probleme unterstellen, sie bemitleiden, bevormunden und ausgrenzen. »Warum fordern Frauen, die Prostituierten helfen wollen, darunter viele Feministinnen, in erster Linie Polizeimaßnahmen und Bestrafung von Kunden?« fragt die britische Hurenaktivistin Laura Agustin. »Mit welchem Recht glauben Frauen aus der Mittelklasse, sie müßten ihre Schwestern aus der Arbeiterklasse ›retten‹ und in die Gesellschaft resozialisieren? Was würde passieren, wenn wir die Zentrizität der bürgerlichen Kleinfamilie in Frage stellten und gleichzeitig fragten, warum so viele Menschen ihr Heim bzw. ihre Heimat verlassen, um Sex zu haben?«100
Man kann den bürgerlichen Prostitutionskritikerinnen den Hinweis nicht ersparen, daß sie sich in ihren Argumenten selten an Fakten, dafür um so öfter an Sexualmythen und abstrakten Moralhülsen orientieren, die sie keiner Realitätsprüfung unterziehen. In der Regel sind die Abolitionistinnen weder über die komplexen Szenarien der Prostitution noch über die aktuellen Zustände auf dem Partnermarkt informiert. Ihre sexualpessimistischen Ferndiagnosen konstatieren auch dort Defizite an Würde, Beziehungsfähigkeit und psychischem Wohlbefinden, wo de facto sexuelle und emotionale Erfahrungsvorsprünge das Bild beherrschen.
Wenn manche Frau ein bißchen mehr Hure wäre,
dann würde es uns vielleicht gar nicht geben: Mia Viele Ehefrauen unserer Kunden lehnen Oralsex ab oder haben anderweitige Berührungsängste. Manche ziehen nicht gerne Strümpfe, Strapse oder hochhackige Schuhe an. Das sind ja so die kleinen Wünsche der Männer. Die Werbung ist nun mal auf Frivolität und Schicksein ausgerichtet, und die Männer sehen das tagtäglich im Fernsehen, in den Zeitungen oder Illustrierten. Sie möchten eine aufgemotzte Frau im Bett haben.
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