Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
haben mutige Jungunternehmerinnen immer wieder Versuche gestartet, Bordelle oder Callboy-Agenturen für Frauen zu gründen. Ihr Idealismus trieb sie meist in den Ruin. Aber wo liegen die Gründe für das Ungleichgewicht der Zielgruppen? Die Prostitutionsforscher Vern und Bonnie Bullough sehen in dem Umstand, daß die sexuellen Bedürfnisse von Männern stärkere Beachtung finden, ein Indiz für die Doppelmoral.104 Daß in den Kontaktanzeigen der Profis die Rollen ebenfalls klar verteilt sind, scheint ihnen recht zu geben. Über andere Gründe läßt sich spekulieren: Da wäre zum einen die vergleichsweise geringere Kaufkraft von Frauen, Sicherheits-und Krankheitsängste, moralische Bedenken oder die simple, aber durchaus berechtigte Frage, warum eine Frau für Sex zahlen sollte, wenn sich auf der ganzen Welt das Gegenteil eingebürgert hat. Andererseits nähert sich die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation moderner Frauen den Lebensstilen und Verhaltensstandards der Männerwelt rasant an.
Es gibt immer mehr Karrierefrauen mit wenig Zeit für Beziehungsarbeit, gebundene Frauen, die sich sexuell langweilen oder mit lustlosen Männern zusammen leben, oder Frauen, die keinen Beziehungspartner wollen oder niemanden finden, der zu ihnen paßt.
Manchmal scheitern Bordelle für Frauen aber auch an einer gewissen Naivität:
Europas erstes Bordell für Frauen ist pleite
Waldshut, Deutschland, 18. Januar: Europas erstes Bordell für Frauen ist pleite, weil die Kundinnen sich weigerten zu zahlen, erklärte die deutsche Polizei am Freitag. Der Betreiber, laut Polizei ein gewisser Clemens K., 31, wurde in Deutschland festgenommen, nachdem er ein älteres Paar mit einer Spielzeugpistole ausgeraubt hatte. »Er erzählte uns, daß sein Bordell pleite gegangen sei. Hätten sie, wie bei Bordellbetrieben allgemein üblich, auf Vorkasse bestanden, wäre das nicht passiert«, so ein Polizeisprecher in Waldshut.
»Sie verlangten das Geld erst hinterher, und die Frauen zahlten nur, was ihnen die Dienstleistung wert war.«105
Auch das Beispiel Sextourismus zeigt, daß Frauen sich einem prostitutiven Rollentausch nicht grundsätzlich verschließen. Die britischen Prostitutionsforscherinnen Julia O'Connell Davidson und Jacqueline Sanchez-Taylor befragten dazu über hundert Touristinnen in Negril/Jamaika. Mehr als die Hälfte der alleinstehenden Frauen hatte während des Urlaubs sexuelle Beziehungen zu einem oder mehreren Jamaikanern angebahnt. Ein Teil hatte die Reise sogar \ allein deshalb angetreten, unterschied sich also in ihrer Motivation nicht von männlichen Sextouristen. Die Wissenschaftlerinnen deuten diese Ergebnisse zum einen als bewußte Emanzipationsgeste, zum anderen als Strategie, um die eigene Weiblichkeit zu affirmieren. »Frauen, die sich von Männern in ihren Heimatländern zurückgewiesen fühlen, finden sich auf Jamaika plötzlich in der umgekehrten Situation wieder«, so Jacqueline Sanchez-Taylor. »Hier laufen ihnen die Männer nach, raspeln Süßholz, haben Sex mit ihnen und geben ihnen das Gefühl, begehrt zu sein. Der Sextourismus erlaubt Frauen aus westlichen Ländern, ihre Körper auf eine Weise zu sexualisieren, die zu Hause schwer realisierbar wäre: sich von begehrenswerten Männern begehrt zu fühlen.«106 Im Gegensatz zu männlichen Sextouristen entlohnten diese Frauen ihre Urlaubsbekanntschaften laut Sanchez-Taylor überwiegend mit »Geschenken« oder revanchierten sich mit Einladungen. Frauen mögen noch keine kollektive Identität als Sex-Konsumentinnen entwickelt haben, aber ein Gefühl für den Austausch von Ressourcen haben sie allemal.
Es ist sicher kein Zufall, daß die Rollen vorzugsweise in der lockeren Atmosphäre von Urlaubssituationen getauscht werden, fernab sozialer Kontrolle. Noch scheinen die umgekehrten Tauschgeschäfte mit vielen Skrupeln, Ängsten und Rationalisierungen behaftet. Es geht aber auch anders. Die Anthropologin Helen Fisher berichtet über eine steigende Anzahl alleinstehender weiblicher Swinger in den USA und über eine New Yorker Finanzmanagerin, die sich einen Gigolo in die weitläufigen Hinterzimmer ihres Büros bestellte, seine Dienste während der Arbeitszeit in Anspruch nahm, ihm ihre Sekretärin und auch einige Klientinnen zuführte, damit auch sie von seinen Fähigkeiten profitieren konnten.107 Die wirtschaftliche Autonomie scheint der Schlüssel, um die alte Doppelmoral effektiv auszuhebeln und das Erfahrungsspektrum von Frauen auch in
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