Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
Mann sich verlieben könnte, als daß er zu einer Prostuierten geht«, resümiert Oswalt Kolle seine Erfahrungen aus der medialen Sex-Beratung. »Das sei angeblich nur körperlich - was natürlich Quatsch ist. Denn da werden ja auch bestimmte Phantasien befriedigt, die offenbar in der Beziehung nicht zu befriedigen sind. Die Frauen beteiligen sich an der Doppelmoral, indem sie die Prostituierten abwerten, nicht aber den Mann. Nach dem Motto: Mein Mann ist ja ein netter Kerl, der geht nicht fremd, der geht nur ab und zu zu einer Nutte, einmal die Woche braucht der das.«
Wenn erotischer Genuß ein Stück Lebensqualität darstellt, dann ist die treue Privatpartnerin wohl die Verliererin dieser Menage á trois -
selbst wenn sie zwischen sexueller und sozialer Treue unterscheidet, selbst wenn sie sich sexuell entlastet fühlt oder von möglichen Schuldgefühlen des Mannes profitiert. Ob sie sich mit diesen Sekundärgewinnen zufrieden gibt, ob sie an Märchen von Geschäftsessen oder männlichen Triebüberschüssen glaubt - all das ändert nichts an der Tatsache, daß ihr Mann sich mit einer anderen Frau amüsiert, die das Vergnügen möglicherweise teilt, während sie sich sexuell beschränkt. Vieles spricht dafür, daß die Auseinandersetzung mit ihren eigenen, geringeren sexuellen Handlungsspielräumen nicht nur ihre Beziehung, sondern auch ihre Einstellung zu Prostituierten negativ beeinflußt.
Wie gehen Monogamistinnen damit um, daß die große Mehrheit der Männer phasenweise oder dauerhaft ein sexuelles Doppelleben führt?
Daß Überstunden, Treffen mit Freunden oder Geschäftsessen geheime Sex-Aktivitäten tarnen? Daß die Welt voll frei flottierender sexueller Energien ist, die an ihr vorüberziehen? Empfindet sie Eifersucht, oder überläßt sie anderen neidlos das Vergnügen? Ist der Begriff sexueller Treue für sie ebenso teilbar wie für viele Freier? Gibt es Formen sexueller Außenkontakte, die sie für beziehungskompatibel hält, und andere, die ein Grund zur Trennung wären? Oder wehrt sie die narzißtische Kränkung durch Moralapostelei und Männerhaß ab?
Akzeptiert sie die doppelten Treuestandards, und wie prägen die widersprüchlichen Weiblichkeitsgebote ihre sexuelle Identität?
Zappeln lassen oder Geld nehmen: Nadja
Ich gehe lieber für Geld anschaffen, als daß ich durch die Diskotheken ziehe und es unentgeltlich mache. Ich habe zum Beispiel eine Freundin, die hat im Spanienurlaub mit drei Männern geschlafen. Und alle drei Erfahrungen, so sagt sie selbst, haben ihr nichts gebracht. Da habe ich sie gefragt:
»Warum nimmst du nicht Geld dafür?« Vor allem verliebt sie sich immer so schnell. Sie guckt einen Mann an, verliebt sich und steigt mit ihm in die Kiste. Hinterher ist er weg, und sie ist enttäuscht. »Jetzt verstehe ich auch, warum eine Beziehung bei dir nicht länger als einen Monat hält«, sagte ich zu ihr. »Die Männer wollen eine Frau erobern. Entweder mußt du sie zappeln lassen oder Geld dafür nehmen.«
Ich denke, es geht vielen Frauen so. Sie haben eine rosarote Brille auf, wenn es um Sex geht. Auch wenn man sich verliebt, kann man denjenigen erst mal eine Weile beobachten. Ich meine, ich hab's ja auch gelernt. Früher habe ich auch immer geglaubt, jeder, der mich anlächelt und mir etwas zu trinken bestellt, hat sich in mich verliebt. Oder auch umgekehrt: Er faßt mir an den Busen, und ich merke, daß es in meiner Vagina anfängt zu kribbeln - also bin ich verliebt. Ich habe schnell festgestellt, wie wichtig es ist, Sex und Liebe und Romantik nicht in denselben Topf zu werfen.
Klischee Nr. 36:
Männer spalten die emotionalen Anteile
ihrer Sexualität ab, während Frauen Sexualität
ganzheitlich erleben.
Ungeachtet aller naturwissenschaftlichen und historischen Belege hat es sich eingebürgert, promiske Neigungen als eine typisch männliche Verhaltensweise und gleichzeitig als eine Art psychischen Defekt zu bewerten. Daß Männer gelernt haben, zwischen Liebe und Sexualität zu unterscheiden, wird nicht als Stärke, sondern als bedenkliche Abspaltung emotionaler Anteile interpretiert, die - so wird unterstellt -
zu »gesunden« oder »reifen« sexuellen Beziehungen gehören.
Tatsächlich ist die Leitidee einer ganzheitlichen Lebens-und Sexualpartnerschaft im Vergleich zur Menschheitsgeschichte eine relativ junge Erscheinung, die sich, am faktischen Beziehungsalltag gemessen, bislang vor allem als Ideal durchsetzen konnte. Zu allen Zeiten und in
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