Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
Erwerbsarbeit, Hausarbeit und Kinderbetreuung auf. In den USA verbringen berufstätige Frauen im Durchschnitt schon mehr als 80 Wochenstunden für Arbeit und Haushalt.143 Die Familienarbeit ist nach Expertenmeinung das stärkste Hemmnis für die Gleichstellung von Frauen in der Arbeitswelt. Da sich weder die Arbeitswelt noch die weiblichen Harmonisierungs-wünsche auf absehbare Zeit grundsätzlich ändern werden, dürfte die Gleichstellung von Frauen im Haifischbecken des ersten Arbeitsmarktes wohl noch auf sich warten lassen - trotz guter Ausbildung, familienfreundlicher Arbeitsmodelle und vielfacher Lobgesänge auf das Netzwerkdenken und die kommunikativen Talente von Frauen.
Frauen hin, Männer her: Die Dynamik des technologischen Fortschritts wird wohl auch in Zukunft dafür sorgen, daß der Marktwert der menschlichen Arbeit, unabhängig von individuellen Erfolgsanstrengungen, weiter sinken wird. Technologien, die Arbeit oder Zeit einsparen, werden auch weiterhin Unternehmensabläufe umstrukturieren und es dem Staat überlassen, die Beschäftigungs-verluste mit Umschulungen und Fortbildungsmaßnahmen wegzure-gulieren. Doch wie viele Callcenter müßten aus dem Boden gestampft werden, um den Stellenabbau zu neutralisieren? Während die Medien unverdrossen das Bild der Karrierefrau als postmoderner Weiblich-keitsikone feiern, konstatieren Wirtschaftsexperten wie Andre Gorz und Jeremy Rifkin angesichts dieser Szenarien längst das Ende der Arbeitsgesellschaft. »Unsere politischen Institutionen, unsere gesellschaftlichen Verpflichtungen und wirtschaftlichen Beziehungen sind alle auf Menschen ausgerichtet, die ihre Arbeitskraft auf dem Markt verkaufen«, so der Wirtschaftsberater Jeremy Rifkin. »Jetzt, da unsere Arbeitskraft für die Industrie wie für den Dienstleistungssektor immer unwichtiger wird und ihr Marktwert rapide sinkt, müssen wir uns neue Wege ausdenken, wie man Einkommen und Kaufkraft sichern könnte. Wir brauchen Alternativen zur Erwerbsarbeit, um die Kraft und das Talent zukünftiger Generationen nicht brachliegen zu lassen.«144
3 SEXARBEIT ALS ALTERNATIVE
Lieber Hure als Akademikerin:
Promoviertes US-Callgirl
Angesichts der Situation auf dem universitären Arbeitsmarkt kann man beobachten, daß die Fachbereiche in den Akademikern, die sie einstellen wollen, einzig und allein eine Ware sehen. Der Arbeitsplatzmangel macht den
Warencharakter der menschlichen Arbeitskraft auf dem akademischen Sektor erst so richtig sichtbar. Die Gedanken der Jobsuchenden kreisen permanent um ihren Marktwert.
Wie viele meiner graduierten Kollegen strengte ich mich acht Jahre lang permanent an, um meinen Marktwert zu steigern.
Mein Arbeitgeber profitierte, indem er meine Arbeitskraft ausbeutete, d. h. mir einen Job gab, der mich den ganzen Tag beschäftigte, aber wie eine Teilzeitstelle bezahlt wurde.
Der akademische Arbeitsmarkt erinnert mich an die Straßenprostitution. Die Macht, die Universitäten und vergleichbare Institutionen über Akademiker haben, gleicht der eines Zuhälters, der seine Huren bis aufs Mark ausbeutet. Die Gepflogenheiten auf diesem Arbeitsmarkt sind wesentlich erniedrigender als die Art der Prostitution, die ich betreibe. Ich kann mir aussuchen, wo ich leben will, ich werde viel besser bezahlt und bekomme oft mehr Respekt.
Sicher, ich bin immer noch eine Ware und bewege mich wie jeder andere in dieser kapitalistischen Welt auf einem Markt.
Aber mein Marktwert ist höher, denn für das, was ich anbiete, existiert eine stärkere Nachfrage. Was für eine Ironie, daß ich mich als Hure weniger als Ware und mehr als Mensch fühle.
Aus diesem Grund fällt es mir sehr schwer, den
akademischen Arbeitsmarkt mit der Prostitution
gleichzusetzen. Akademiker als Huren zu bezeichnen ist eine Herabwürdigung der Prostitution, eine ungerechtfertigte Fortschreibung des Klischees, daß die Prostituierte den Warencharakter unserer Gesellschaft sozusagen in Reinkultur verkörpert. Aber es gibt noch einen anderen, weniger erfreulichen Grund, der gegen diesen Vergleich spricht: Akademiker sind nicht dem gleichen Stigma ausgesetzt wie Huren. Und so opfert der Akademiker den Profit zugunsten des Prestiges und die Hure das Prestige zugunsten des Profits. 145
Klischee Nr. 47:
Die Prostitution ist belastender als andere
Erwerbstätigkeiten.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, daß sich die Hoffnungen vieler Frauen auf wirtschaftliche und
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