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Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Titel: Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Domentat
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Gewalttat oder eines Autocrashs wurden und nimmt das Risiko in Kauf. Verheißt ein Job am Steuer eines Taxis dauerhafte Zufriedenheit? Selbst wenn das Taxifahren irgendwann zur Herzensangelegenheit wurde, spricht viel dafür, daß sie wie jede Autofahrerin, jede Dienstleisterin, jede Frau und jeder Mann, der am Tag (oder in der Nacht) Dutzende von Menschen sieht, hin und wieder Streß, Arger, Überdruß, Frustrationen und Enttäuschungen empfindet.
    Im direkten Vergleich mit der Dienstleistung Taxifahren erscheinen auch andere Klischees über die Sexarbeit in einem neuen Licht. Wer käme zum Beispiel auf die Idee, eine Taxifahrerin als kalt und businesslike zu bezeichnen, weil während der Dienstleistung das Taxometer tickt und am Ende zeittaktorientiert abgerechnet wird? Und wenn man die Abgabepolitik unselbständiger Taxifahrer von etwa 50% berücksichtigt, stellt sich die Frage, wer finanziell stärker ausgebeutet wird: die Taxifahrerin oder eine Sexarbeiterin, die 30% an einen Betreiber abführt oder selbständig arbeitet.
     
    Ähnliches gilt für die häufig beschworenen Sicherheitsrisiken der Sexarbeit. Die vermeintliche Aggressionsneigung von Prostitutionskunden ist in erster Linie das Resultat eines Klischees, das sich durch unzählige Fernsehkrimis, Musikvideos etc. in vielen Köpfen festsetzte. Wenn Freier überhaupt Schlagzeilen machten, dann als Serienmörder. Doch internationalen Studien zufolge entspricht die weit überwiegende Mehrheit der Prostitutionskunden keineswegs dem Klischee eines Schlägers oder frauenhassenden Serienmörders.147
    Natürlich war dieses Klischee auch hilfreich, um Frauen im Namen eines monogamen Beziehungsideals moralisch zu disziplinieren. Doch in Zeiten, in denen auch Privatbeziehungen zunehmend über Kontaktanzeigen und Blind Dates angebahnt werden, sind Prostituierte nicht automatisch gefährdeter als serielle Monogamistinnen. Im Gegenteil: Die Existenz von Dienstleistungsunternehmen, die nach dem Vorbild der Prostitutionsszene Frauen während des ersten anonymen Treffens anrufen und bei Bedarf die Polizei alarmieren, zeigt, daß die Sicherungssysteme, die sich in der Sexarbeit bewährten, auch für promiske weibliche Singles Vorbildcharakter haben. Hinzu kommt, daß die Risiken innerhalb der Prostitution weder personell noch strukturell gleich verteilt sind, wie internationale Studien gezeigt haben.148
     
    Klischee Nr. 48:
    Eine Prostituierte verkauft mit ihrem Körper
    auch ihr Selbst.
     
    Was verkauft eine Prostituierte eigentlich? Ihren Körper? Ihre Sexualität? Ihr Selbst? Ihre Zeit? Eine Illusion? Die Verwirrung darüber, was sie eigentlich genau in das Tauschgeschäft einbringt, ist beträchtlich. Während Sexarbeiterinnen und ihre Interessenvertretungen meist von einer Dienstleistung sprechen, bei der sich üblicherweise weder Besitz-noch Eigentumsverhältnisse ändern, suggerieren Buchtitel wie Ware Lust, Gekauftes Fleisch oder Eine Frau allein gehört allen, daß entweder die Frau, ihr Körper oder ihre Sexualität als eine Art Handelsware zur Disposition stehen. Mit einem apodiktischen Unterton behaupten auch viele Prostitutionsgegner, daß Sexarbeiterinnen mit der Dienstleistung ihre Person und ihr Selbst gleich mitverkaufen. Dabei folgen sie zwei Grundannahmen: (1) Es ist ein Unterschied, ob ich meine erotischen Kompetenzen verkaufe oder meine Körperkraft bzw. meine geistigen Fähigkeiten. (2) Es ist nicht statthaft, meine erotischen Kompetenzen zu verkaufen. Dabei ist die Unterscheidung zwischen asexueller Arbeitskraft und Sexarbeit zutiefst willkürlich und basiert auf der Prämisse: Der Mann hat ein Geschlecht, die Frau ist ihr Geschlecht. In diesem Sinne argumentieren nicht nur männliche Kirchenvertreter, sondern auch Feministinnen wie Carol Pateman oder Elisabeth Anderson, die behaupten, daß sich die Sexarbeit grundsätzlich von anderen Formen der Erwerbsarbeit unterscheidet.149
    Die Gleichsetzung »Körper = Ich« ist aus mehreren Gründen fragwürdig. Einmal unterscheidet sie nicht zwischen eigenverantwortlicher und erzwungener Prostitution, fairen und unfairen Arbeitsbedingungen. Zum anderen unterschätzt sie die Abwehrmechanismen des Ich, seine Fähigkeit, sich gegen selbstwertmindernde Einflüsse zu schützen. Ignoriert werden auch die Handlu ngsspielräume von Dienstleistern, ihre Strategien, eigene Ansichten oder Interessen gegen Kundenansprüche durchzusetzen.
    Dabei kennt jeder, der nach einem Friseurbesuch ein bißchen anders aussah als

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