Lass Die Sorgen - Sei Im Einklang
Gelehrter auf vielen Gebieten, hat das einfache Leben als Vermächtnis in sein Testament für seine Kinder aufgeschrieben: ,,Schon lange wollte ich dieses Euch aufschreiben: Betrachtet so oft Ihr könnt die Sterne. Wenn Euch schwer ums Herz ist, betrachtet die Sterne oder bei Tage den blauen Himmel. Wenn Ihr betrübt seid, wenn man Euch beleidigt, wenn Euch etwas nicht gelingt, wenn ein Sturm in Eurer Seele tobt, tretet hinaus ins Freie und bleibt allein mit dem Himmel. Dann wird Eure Seele zur Ruhe kommen." Der Vater wollte mit diesen einfachen Worten seinen Kindern ein Geschenk machen: Wenn sie die Kunst üben, einfach da zu sein und einfach den Himmel und die Sterne zu betrachten, dann werden sie ihr Leben in einer guten Weise bewältigen. Ein Testament der Lebenskunst.
Freudenlisten
Den Sorgen um die Zukunft das Gegenwärt ig sein entgegenzusetzen und die Achtsamkeit auf das zu richten, was um uns herum ist, das ist die Kunst des einfachen Lebens. Der portugiesische Dichter Fernando Pessoa notiert in seinem ,,Buch der Unruhe", im Eintrag vom 21. Juni 1934, was er sich wünscht:
,,Weiter nichts . . .
Ein wenig Sonne,
ein kleiner Luftzug,
ein paar Bäume, die die Entfernung einrahmen,
der Wunsch glücklich zu sein . . ."
Hier sind die Sorgen weit weg. Hier wird nichts vermisst. Leben ist jetzt.
Freude kann man intensivieren, indem man sie sich bewusst macht. Bert Brecht hat eine Liste der einfachen Freuden aufgestellt. Um Freude zu erleben, bedarf es nicht vieler und teurer Dinge. Für Brecht genügt:
,,Duschen, Schwimmen,
Alte Musik.
Bequeme Schuhe.
Begreifen.
Neue Musik.
Schreiben, Pflanzen.
Reisen.
Singen.
Freundlich sein."
Es sind die e infachen Dinge, die das Herz er freuen. Das kann sich jeder leisten. Wir brauchen es nur zu tun. Nur wahrzunehmen.
Bei Johann Wo lfgang von Goethe sieht die ein fache Freudenliste etwas anders aus. Und doch steht hinter seine r Liste offensichtlich eine ähn liche Erfahrung , die auch Brecht mit dem einfa chen Leben gemacht hat:
,,Man sollte alle Tage wenigstens
Ein kleines Lied hören,
ein gutes Gedicht lesen,
ein treffliches Gemälde sehen und,
wenn es möglich zu machen wäre,
einige vernünftige Worte sprechen."
Die ersten drei Tätigkeiten sind eigentlich passiv, keine Aktivität im üblichen Sinn. Sie beziehen sich auf das Aufnehmen: Wir empfangen Freude, wenn wir ein Lied hören, ein Gedicht le sen und ein Gemälde anschauen. Das Lied dringt ins Herz, das Gedicht berührt uns und das Bild prägt sich in uns ein. Das Vierte müssen wir selbst tun: vernünftige Worte sprechen, Worte, die etwas kläre n, die Leben wecken, die ermuti gen und erfreuen.
Selbstvergessen reines Sein
Das Glück stellt sich nicht einfac h ein. Wir müs sen es auch such en. Wir können es nicht festhal ten. Aber wenn wir offen sind, schenkt uns Gott in der Natur gerade im Frühling und im Som mer, wenn die N atur in voller Blüte steht im mer wieder Augenblicke des Glücks. Da duftet die Wiese, da v erströmt der Wald einen bestimm ten Geruch. Wir riechen, wir schmecken, wir hö ren und wir schauen die Fülle des Lebens. Wer ganz in seinen Sinnen ist und das Wunder der Schöpfung um sich herum wahrnimmt, der er fährt Glück. Es ist das Glück, das uns von außen entgegenkommt. Aber die Natur zeigt uns noch einen anderen Weg zum Glück; sie ist nicht ab hängig von irgendeiner Jahreszeit. Wenn wir die Fülle des Lebens in uns selbst zulassen, dann sind wir glücklich, dann sind wir im Einklang mit uns selbst. Glück ist Ausdruck erfüllten Lebens. Die Fülle des Lebens ist da. Wir müssen sie nur ergreifen und uns ihr öffnen. Die Rose blüht ohne Warum, sagt Angelus Silesius. Wenn wir wie die Rose einfach nur blühen, ohne uns zu fragen, wa rum, dann sind wir im Einklang mit uns selbst. Glück hat damit zu tun, uns selbst zu vergessen. Glück ist reines Sein. Immer wenn wir unser Glück allzu sehr begründen müssen, gehen wir am Glück vorbei. Wir brauchen viele Gründe, um uns glücklich zu fühlen, wenn wir nicht wirklich im Glück sind. Wer sich vergisst, wer ganz in dem ist, was er gerade tut, der ist glücklich. Es geht dann gar nicht um das Gefühl des Glücks. Gefühle kann man sowieso nicht festhalten. Es geht einfach nur um die Fähigkeit, da zu sein, ohne über sich nachzudenken, sondern einfach wahrzunehmen was ist, was in mir ist, was um mich herum ist und wie ich in Gott bin. Die Natur lädt uns ein zu dieser
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