Lass mich dein Sklave sein
zusammengezogenen Brauen, wahrscheinlich weil sie so kühn gewesen war, ihn zu unterbrechen. “Er heißt Rashid. Warum bezeichnen Sie ihn mit diesem albernen Namen?”
“Weil er mich darum gebeten hat.” Sie wich seinem Blick nicht aus.
Schließlich blickte Ibrahim zu Boden. “Unser Vater hat ihn gebeten, den Bau eines Brunnens in einem der Grenzorte zu überwachen. Rashid hat sich in die Arbeit gestürzt und zehn, zwölf Stunden am Tag gearbeitet, so dass er beinahe zusammengebrochen ist, als der Brunnen fertig war.”
Ibrahim sah sie wieder an, und sie hoffte, dass er ihr die Sorge um Rudi nicht ansah. Warum konnten diese Leute nicht auf Rudi aufpassen?
“Die Familie ist um seine Gesundheit besorgt”, fuhr Ibrahim nach einer kurzen Pause fort. “Er ist verschlossen, abgemagert und hat dunkle Ringe unter den Augen.” Er musterte sie von oben bis unten. “Eigentlich sehen Sie ihm in dieser Beziehung ziemlich ähnlich. Das gibt mir die Hoffnung, dass Sie vielleicht die gleichen Gefühle für Rashid haben wie er für Sie.”
Sie lachte bitter auf. “Was für Gefühle? Enttäuschung? Verachtung? Das fühle ich ganz sicher nicht für ihn.”
“Und er auch nicht für Sie.”
“Bitte, Sie müssen mir nichts vormachen. Ich habe die Terroristen doch praktisch auf seine Spur geführt. Und als sie dann auf ihn geschossen haben, musste er sich selbst gegen sie verteidigen.”
„Aber nur weil Sie verletzt wurden, als Sie ihn vor der Autobombe retten wollten.”
„Dass ich so benommen war, war idiotisch von mir. Nein, ich habe total versagt. Ich habe ihn schlicht und einfach enttäuscht. Warum hätte Rudi mich sonst verlassen, ohne ein Wort zu sagen? Er traut mir nicht, und warum sollte er auch?” Ibrahim starrte sie an. “Vielleicht wollte er Sie schützen. Der Rest der Bande ist noch nicht gefasst.”
“Das beweist doch nur, dass er glaubt, ich könne noch nicht einmal auf mich selbst aufpassen.” Ellen drückte die Tasche an sich und versuchte, sich an Ibrahim vorbeizudrängen. “Ich werde zu spät kommen. Man erwartet mich.”
“Jemand anderes kann für Sie einspringen.” Ibrahim nahm ihr die Tasche aus der Hand und reichte sie Vic Campanello, der hinter ihm aufgetaucht war und unruhig von einem Fuß auf den anderen trat. “Ich werde dafür bezahlen. Aber ich brauche Sie jetzt.”
Er trat ein paar Schritte vor und drängte Ellen zurück in ihr Büro. Dann schloss er die Tür. “Lieben Sie meinen Bruder?”
Ellen zuckte mit den Schultern. Sie hatte keine Lust, diesem arroganten, selbstgefälligen Wüstensohn ihre geheimsten Gefühle mitzuteilen.
Ibrahim seufzte und strich sich mit der Hand über den sorgfältig gepflegten Bart. “Sie und Rashid, Sie sind füreinander geschaffen. Sie sind beide gleich störrisch. Ich war beinahe achtzehn, als Rashid geboren wurde, und ich bin nicht nur Bruder, sondern auch Vater für ihn gewesen, weil unser Vater immer mit den Regierungsgeschäften beschäftigt war. Aber er ist auch in Erziehungsfragen ein weiser Mann. Trotzdem habe ich nicht auf seinen Ratschlag gehört, als er meinte, ich sollte Rashid seine eigenen Flügel gebrauchen lassen.” Er seufzte.
“Und ich bin auch Ihren Ratschlägen nicht gefolgt, und nun muss ich wieder gutmachen, was ich angerichtet habe.”
„Aber was hat das alles mit mir zu tun?”
“Rashid ist unglücklich. Und weil er unglücklich ist, ist unsere Mutter unglücklich. Und wenn unsere Mutter unglücklich ist, dann ist auch unser Vater nicht froh.”
“Ich verstehe immer noch nicht, warum Sie hergekommen sind. Es tut mir Leid, dass Rudi unglücklich ist, aber ich kann daran nichts ändern.”
Ibrahim holte tief Luft. “Da haben Sie Unrecht. Ich glaube, Sie sind der einzige Mensch, der ihm helfen kann.”
“Nein. Ich bin die Letzte, die ihm helfen kann.” Ellen schüttelte energisch den Kopf.
“Ich gebe Ihnen die Möglichkeit zu beweisen, was Sie behaupten.” Ibrahim zog ein Flugticket hervor und hielt es ihr hin. “Kommen Sie nach Qarif. Sprechen Sie mit Rashid … mit Rudi. Fragen Sie ihn, ob Sie in seinen Augen schmählich versagt haben oder ob er Sie liebt, wie er es mir selbst gesagt hat.”
Ellen starrte auf das Ticket, konnte sich aber nicht überwinden, es anzunehmen. Sie konnte nicht glauben, dass Rudi das gesagt hatte. Sie wagte es nicht. Sie hatte Rudi schon zwei Mal verloren. Ein drittes Mal würde sie nicht überleben.
Ibrahim warf das Ticket auf ihren Schreibtisch. “Kommen Sie nach Qarif,
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