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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Bildschirmen hing ein Wandtelefon und daneben ein in Plastik eingeschweißter Zettel mit Telefonnummern: SOS , Polizei, Adam, Sascha, Patrik, Goran, Thomas. Stefanovics Name stand ganz oben, war jedoch durchgestrichen. Es gab einen Alarmknopf, der zur G4S führte, und weitere Knöpfe, mit denen man die Alarmanlage des Hauses kontrollieren konnte. In einer Vorrichtung hingen ein zusätzliches Handy und eine Maglite Taschenlampe. In einer Ecke stand ein Feuerlöscher. An einem Haken hingen zwei Gasmasken. An einem weiteren eine Elektropistole.
    Auf dem Fußboden stand eine Plastikkiste. Sie wusste, was sich darin befand: vier PET -Flaschen mit Wasser, eine Tüte mit Nüssen, Wasa-Knäckebrot mit Creamcheese und einige Konserven. Darin lag auch ein Erste-Hilfe-Set, ein Necessaire, ein Päckchen Erfrischungstücher, ein Ladegerät fürs Handy und ein Stadtplan von Stockholm. Außerdem lag darin eine frische Garnitur Kleidung für Natalie.
    Die Absicht dahinter war, dass man es mindestens vierundzwanzig Stunden hier drinnen aushalten würde.
    Sie musste daran denken, was Thomas gesagt hatte: »Wenn irgendetwas passiert, musst du als Erstes versuchen zu fliehen. Sieh den Sicherheitsraum als allerletzten Ausweg – es ist kein bombensicherer Bunker. Er kann Einbrecher lediglich für eine gewisse Zeit fernhalten, bis wir oder die Polizei eintreffen.«
    Natalie versuchte sich zu entspannen. Stefanovic oder der Wolf Averin würden heute Nacht bestimmt keinen Angriff auf sie starten, denn morgen würden sie sich mit Moskau treffen. Von Angesicht zu Angesicht, lediglich sie, Stefanovic, JW und die Russen.
    Heute Nacht dürfte eigentlich nichts passieren.
    Dennoch konnte sie nicht schlafen.
    Im Haus war es so still. Sie warf erneut einen Blick auf die Bildschirme: Adam war immer noch wach.
    Oben saß irgendwo ein weiterer Leibwächter, Dani, zur Sicherheit.
    Ihre Mutter war in Deutschland. Natalie hatte sie vor zehn Tagen bereits zu Verwandten geschickt. Sie hatten seitdem nichts mehr voneinander gehört. Das war auch am besten so.
    Sie musste an Semjon Averin denken. Auf dem unscharfen Foto aus der Überwachungskamera wirkte er so entspannt und selbstsicher, als er den Volvo fuhr. Auf dem Passfoto mit John Johanssons Namen sah er noch selbstsicherer aus. Als könnte ihn nichts und niemand aus der Ruhe bringen. Averins Art erinnerte sie an ihren Vater. Ob sie selbst wohl irgendwann in der Lage wäre, das Gleiche zu empfinden? Vielleicht.
    Sie musste an das eine Mal denken, als sie gemeinsam mit ihrem Vater auf Solvalla war. Zusammen mit zwei Männern vom Umwelt- und Bauamt der Gemeinde – ihr Vater hatte vor, seine Villa auszubauen.
    Die Atmosphäre war angenehm gewesen. Das gesamte Gelände war mit Werbeplakaten für Agria Tierversicherungen zutapeziert. Heiße Würstchen, Bier und Wettscheine in den Händen aller Gäste. Über die Lautsprecher wurde der nächste Lauf des Tages angekündigt. Natalie war damals siebzehn.
    Sie saßen im Kongressen Bar och Restaurang: ein À la carte-Restaurant mit sieben Stockwerken, direkt vor der Ziellinie. Das Herzstück der Restaurants auf Solvalla: weiße Tischdecken, Teppichboden, im Hintergrund dezente Musik, überall Flachbildschirme und massenweise Wettscheine auf den Tischen. Die meisten Leute um sie herum waren Männer im Alter zwischen fünfzig und sechzig – genau wie die Männer von der Gemeinde, die direkt gegenüber von Natalie und ihrem Vater Gänseleber in sich hineinschaufelten und ihren Champagner hinunterkippten.
    Aus den Lautsprechern ertönte die Ankündigung des besonderen Ereignisses des Tages. Das Siegerpferd von Björn und Olle Goop würde vor dem Publikum defilieren. Die Leute applaudierten. Natalie hatte kein Interesse. Sie beobachtete lieber die Männer am Tisch.
    Sie redeten über Baugenehmigungen, Planungsskizzen und Gott weiß was. Sie hörte eigentlich gar nicht zu, aber sie erinnerte sich noch daran, wie einer der Männer sagte: »Ich finde es wichtig, dass in Näsbypark Leben einkehrt. Dass wir es den Leuten nicht zu schwer machen sollten, ihre Häuser umzubauen, um sie an ihre Lebensverhältnisse anzupassen.«
    Der andere Gemeindevertreter erhob sein Glas. »Ein Prosit darauf.«
    Ihr Vater schob den Männern zwei Kuverts über den Tisch. Erhob ebenfalls sein Glas. »Keiner könnte dem mehr zustimmen als ich.«
    Sein Gesicht war ganz entspannt, er wirkte selbstsicher. Es strahlte absolute Gewissheit aus, als wisse er, was er tat, und dass es das Richtige

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