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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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halben Stunde angerufen. Ihm mitgeteilt, dass Javier jetzt in die rechtspsychiatrische Abteilung in Huddinge verlegt werden würde. Javier hatte bereits gestern Abend angefangen, sich auffällig zu benehmen. War die ganze Nacht lang wach geblieben und hatte gegen seine Zellentür gehämmert. Hatte sich geschnitten und seine gesamte Zelle mit Blut besudelt. Am Morgen fand ihn das Personal mit seinen eigenen Exkrementen verschmiert und mit einem Seil um den Hals, das aus zerrissener Häftlingskleidung geknüpft worden war. Javier war offenbar psychisch instabil. Offensichtlich eine Gefahr für sich selbst. Das Personal im Gefängnis von Kronoberg konnte nicht dafür garantieren, dass er nicht versuchte, sich das Leben zu nehmen – er musste in die Psychiatrie.
    Javier: ein Homie. Der Typ wusste, wie man mit dem Personal des Strafvollzugs umgehen musste. Der Rechtsanwalt hatte es ihm ja erzählt. Er hatte sich ein T-Shirt fest um den Oberarm gebunden, bis die Venen deutlich sichtbar wurden. Sich einen kleinen Schnitt in der Armbeuge verpasst und ein paar Tropfen Blut herausgepresst. Das Blut mit Wasser gemischt und ganz einfach die gesamte Zelle damit eingesaut. Dann schiss er auf ein Stück Toilettenpapier und legte es unters Bett. Es stank. Schließlich mischte er Kaffeesatz mit Brot – so entstand die richtige Scheißfarbe. Und vermatschte es wie ein Zweijähriger.
     
    Jorge und Hägerström gingen die Treppen hinunter.
    In einer Stunde sollte eines der Transportfahrzeuge des Strafvollzugs auf der Rückseite der Rechtspsychiatrischen Abteilung von Huddinge hineinfahren.
    Jorge und Hägerström würden das Empfangskomitee bilden.
    Aber zuvor mussten sie noch eine weitere Sache erledigen.
    Sie stiegen die Treppen weiter hinunter. Durchquerten das Parkhaus. Kamen auf der anderen Seite wieder heraus. Sprangen über einige Betonbegrenzungen. Erblickten ihr Ziel in zehn Metern Entfernung hinter einem Metallzaun.
    Jorge stellte seine Tasche ab. Nahm einen Bolzenschneider heraus, den er vor vierzig Minuten in der City von Flemingsberg hatte mitgehen lassen.
    Begann ein Loch in den Zaun zu schneiden.
    Dahinter befand sich die Garage für die Krankenwagen. Jorge sah die großen Garagentore. Eines von ihnen stand offen. Er konnte zwei Krankenwagen erkennen, die direkt davor parkten.
    Das Loch im Zaun war inzwischen groß genug, so dass sie es aufbiegen und hindurchklettern konnten.
    Vor der Krankenwagengarage war es still. Wo befanden sich nur all die Krankenwagenfahrer? Wo waren all die blutenden und vor Schmerzen schreienden Patienten?
    Hägerström sagte: »Die Krankentransporte kommen nicht hier rein, sie kommen dort oben an, vor der Notaufnahme.«
    Jorge dachte: Okay, vielleicht wäre es smarter gewesen, dort oben einen Krankenwagen zu entern. Aber jetzt war es zu spät.
    Sie betraten die Garage. Dort standen mindestens zehn unterschiedliche Krankenwagenmodelle. Sogar eines, das aussah wie ein Lastwagen.
    Jorge dachte: Wenn mich jemand bitten würde, ihm einen Krankenwagen zu zeichnen, würde ich einen weißen Wagen mit einem roten Kreuz drauf zeichnen – aber keiner der realen Krankenwagen war weiß. Sie waren alle gelb mit grünen Feldern und blauen Symbolen.
    Er forderte Hägerström auf, sich hinter einen der Wagen zu stellen.
    Zog sich den Palästinenserschal über Mund und Nase. Stellte sich neben die graue Metalltür, die neben dem Weg, den sie selbst gerade gekommen waren, der einzige Eingang zur Garage zu sein schien.
    Er wartete.
    Die Sekunden vergingen.
    Minuten vergingen.
    Er hielt die Pseudopistole fest mit der Hand umschlossen.
    An der Decke flackerte ein Neonlicht. An den Wänden verliefen Rohre und Leitungen.
    Jorge musste daran denken, wie das Krankenwagenpersonal Mahmud auf der Straße in Pattaya geborgen hatte. Jorge hatte damals geglaubt, sein Kumpel wäre tot. Aber jetzt wartete Mahmud in Thailand auf ihn.
    Und Javier wartete in einem Transportfahrzeug aus dem Knast auf J-Boy.
    Es war wie ein Computerspiel, das er als kleiner Junge gespielt hatte. Man erschoss eine Figur im obersten Bereich des Bildschirms. Die Figur fiel herunter und vernichtete zwei andere Figuren weiter unten allein dadurch, dass sie auf sie fiel.
    Kettenreaktion. Das ganze Leben, jede einzelne Sache, die du machst, war wie Computerspielfiguren abzuknallen. Alles hatte einen gewissen Einfluss auf andere Dinge. Alles hing irgendwie miteinander zusammen.
    Es machte ihm Angst: all die Hebel, die er in Bewegung gesetzt hatte. All

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