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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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die Menschen, die auf ihn warteten. Wenn er nun ganz andere Schritte im Leben gegangen wäre. Wenn er Denny Vadúr dort im Tischtennisraum nie gerettet und damit in Kontakt mit dem Finnen gekommen wäre. Etwas Gutes – jemanden davor zu retten, verprügelt zu werden. Hatte zu etwas anderem Guten geführt – einem Rezept für den GTÜ . Ein Gespräch mit Mahmud abends im Café. Hatte zu etwas Mittelmäßigem geführt – zweieinhalb Mille Beute. Ein kleiner Entschluss – jemanden zu bescheißen: hatte zum Schlimmsten geführt, das er je erlebt hatte. Erneut: Alles schien miteinander zusammenzuhängen. Es war wie ein großflächiges kompliziertes Netz aus Zusammenhängen und Menschen. Aber wo begann dieses Netz eigentlich?
    Wenn er nun Zeichnen gelernt hätte wie Björn?
    Wenn er damals Heroin getestet hätte, als Ashur es ausprobierte?
    Wenn er mehr auf seine Mutter gehört hätte. Wer hätte dann jetzt auf ihn gewartet?
    Vielleicht wären es trotz allem dieselben Personen gewesen. Aber sie hätten auf etwas Gutes gewartet. Nicht darauf, dass er in Kürze die erstbeste Person, die durch eine Tür zu einer Krankenwagengarage hereinkäme, überfallen würde.

62
    Hägerström kauerte hinter einem der Krankenwagen.
    Er sah Jorge seitlich neben dem Eingang der Garage stehen. Sein Gesicht war von einer Mütze und einem Schal bedeckt, während lediglich seine dunklen Augen durch einen schmalen Schlitz lugten. In ihnen erblickte Hägerström denselben Ausdruck, den er auch bei ihrem Besuch des Rechtsanwalts wahrgenommen hatte: Verzweiflung, Panik. Doch im Augenblick schien die Panik nahezu überhandzunehmen.
    Torsfjäll war mit dem Plan einverstanden. Jorge wollte Javier befreien, damit Javier ihm bei der Begegnung mit dem Finnen und der Befreiung seiner Schwester und seinem Neffen helfen würde. Eine Befreiung war eine gefährliche Aktion, doch Torsfjäll meinte: »In dieser Branche heiligt der Zweck die Mittel, so ist es eben. Ansonsten würden wir Polizisten letztlich nie etwas erreichen. Und das hier führt uns immerhin zum Hirn hinter dem Überfall auf den Geldtransporter.«
    Der Kommissar hatte recht. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden dürften Jorge, Javier, der Finne, Bladman und JW jeweils in einer Streife auf dem Weg in den Gewahrsam sitzen. Es war nur wichtig, dass Jorge nicht ausrastete. Dass keiner unnötig verletzt wurde. Dass Hägerström die Kontrolle behielt.
    Zugleich sehnte er sich nach Javier. Es war, als hätte er Mückenstiche im Herzen, denn mindestens alle zwei Minuten juckte es ihn dermaßen, dass er sein gesamtes Konzentrationsvermögen aufbringen musste, um seine Gefühle halbwegs zu unterdrücken.
    Es vergingen einige Sekunden.
    Die graue Metalltür öffnete sich. Eine Krankenwagenfahrerin kam heraus. Mit grüner Kleidung und gelben Reflexbändern an der Schulterpartie. Mit einem Walkie-Talkie, das an ihrer Brusttasche befestigt war. Um ihren Hals hatte sie einen Bluetooth-Ohrenstöpsel hängen.
    Hägerström sah, wie Jorge einen Schritt vor machte und seine Tauruspistole hochnahm. Er presste sie der Frau gegen den Kopf. Hielt ihr den Mund zu. Beugte sich vor und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
    Alles geschah extrem leise. Hägerström hatte erwartet, dass Jorge laut schreien und losbrüllen würde. Mit seiner Waffe herumfuchteln. Dass die Person, die durch die Tür hinauskäme, losheulen oder rufen würde.
    Zehn Sekunden später stand Jorge neben ihm. Mit einem Schlüssel in der Hand. Sie liefen zu einem der Krankenwagen. Sprangen rein. Hägerström setzte sich ans Steuer.
    Er startete den Wagen mit dem Schlüssel.
    Das Fenster war heruntergekurbelt. Jorge richtete die ganze Zeit über seine Pistolenattrappe auf die Krankenwagenfahrerin, die immer noch am Eingang stand. Das Walkie-Talkie und ihr Handy lagen völlig zerstört neben ihr auf dem Boden.
    Eines der beiden Garagentore stand bereits offen. Hägerström legte vorsichtig den Gang ein.
    Sie fuhren aus der Garage.
     
    Zehn Minuten später. Die Rechtspsychiatrische Abteilung in Huddinge lag nur fünfhundert Meter entfernt in einem Gebäude, das mit einem Zaun eingefasst war – man wollte die kriminellen Verrückten nicht im selben Gebäude unterbringen wie die normalen Verrückten, plus natürlich: Sie sollten nicht ausbrechen. Hägerström und Jorge hatten den Krankenwagen zweihundert Meter von der Psychiatrie entfernt auf einem Personalparkplatz abgestellt.
    Jetzt saßen sie in einem anderen Wagen, einem alten Opel. Jorge sagte,

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