Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
Vom Netzwerk:
Verdachtsregister mit erfundenen Delikten gefüllt hatte.
    Er erzählte niemandem davon, wie er sich mit Mrado Slovovic getroffen hatte, ganz zu schweigen von allen Zusammenkünften mit Toresfjäll in diversen Wohnungen.
    Er machte sich nicht einmal die Mühe, ihnen verständlich zu machen, warum er dafür gesorgt hatte, dass alle Insassen der Abteilung in Salberga verlegt worden waren, so dass JW allein zurückblieb.
    Er tat lediglich das, was Javier auch tun würde. Er kniff die Lippen zusammen und atmete durch die Nase weiter. Beantwortete die Fragen der Polizisten nicht.
    Er fragte sich, warum. Warum hatte Torsfjäll ihn benutzt und hinters Licht geführt? Ihm fiel nur eine Antwort ein. Der Kommissar hätte niemals das Okay von der Reichskriminalpolizei bekommen, einen Polizisten einzusetzen – also bestand die einzige Möglichkeit darin, Hägerström zu einer zivilen Person zu machen.
    Er würde nie wieder als Polizist arbeiten können. Auch nicht als Aufseher. Die Frage war eher, welche Art von Job er überhaupt noch bekommen würde. Er würde wohl kaum Umgang mit seinem Sohn haben dürfen. Verurteilt wegen schwerer Körperverletzung, viel Glück.
    Er schaute erneut zu den Fotos von Pravat hinauf. Pravat war stolz auf seine Legoburg. Inzwischen kam ihm alles so weit weg vor. Eines Tages würde Hägerström ihm erklären, was tatsächlich geschehen war.
    Er griff sich eine Zeitung vom Tisch.
    Blätterte darin.
    Auf den Mittelseiten war ein Foto von Javier auf dem Weg in den Gerichtssaal. Er versuchte sein Gesicht mit einem Handtuch aus der Untersuchungshaft zu verdecken.
    Die Überschrift:
Heute ist der letzte Verhandlungstag im Prozess um den Raubüberfall in Tomteboda.
    Hägerström wusste nicht, was Javier dachte, sie hatten noch nicht miteinander reden können. Aber er hoffte, dass Javier in derselben Anstalt wie er landen würde. Vielleicht würde es in gewisser Weise ein ganz eigenes Leben im Knast werden.
     
    Hägerström war froh, dass er sein geerbtes Geld hatte. Aber die Frage war, ob er noch andere Mittel würde aufbringen können. Lottie war alles andere als froh. Sie würde ihn in zwei Stunden besuchen, dann würde er mehr erfahren.
    Im Moment vergingen die Minuten so langsam wie während einer erfolglosen Jagd.
    Er versuchte nicht daran zu denken, was sein Bruder und seine Schwester wohl dachten. Ihr Bruder Martin, ehemaliger Polizist, Exaufseher, inzwischen verurteilter Krimineller. Schwere Trunkenheit am Steuer oder irgendein Wirtschaftsverbrechen hätten sie ja vielleicht noch hingenommen, aber nach diesem Tiefschlag würden sie wahrscheinlich kein Wort mehr mit ihm sprechen.
    Allein die Tatsache, dass Lottie ihn besuchen würde, grenzte an ein Wunder.
     
    Eine Stunde und fünfundvierzig Minuten später klopfte es an seiner Zellentür. Ein Aufseher öffnete sie. Führte ihn ins Besucherzimmer.
    Dort drinnen waren die Wände weiß. Ein Sofa mit weinrotem Plastiküberzug. Ein Holztisch mit zwei Holzstühlen. Ein Tablett auf dem Tisch. Einige ineinander gestapelte Plastikbecher, Plastikteelöffel, eine Thermoskanne aus Kunststoff mit heißem Wasser, eine Kunststoffdose mit Nescafé und ein Päckchen Liptons Teebeutel. Nichts aus Metall. Nichts, mit dem man jemand anderem oder sich selbst Schaden zufügen konnte. Das war Standard.
    Die Tür wurde geöffnet.
    Seine Mutter sah etwas verwirrt aus.
    Lottie wirkte älter als beim letzten Mal, als er sie gesehen hatte. Ihr Haar war grauer und die Falten um die Augen tiefer geworden.
    Hägerström sagte: »Komm rein.«
    Sie trug beigefarbene Hosen und eine Kaschmirstrickjacke. Um den Hals hatte sie einen Schal. Hägerström erkannte das Muster wieder, Hermès, natürlich.
    Sie ging auf ihn zu. Keine Wangenküsschen, keine Höflichkeitsfloskeln, keine was-für-eine-hübsche-Strickjacke-Kommentare. Sie umarmten sich lediglich. Lange.
    Hägerström atmete ihren Duft ein. Ihr Parfüm. Ihre Haare berührten seine Wange.
    Er schloss die Augen. Sah Pravat, wie er zu Hause in ihrer Wohnung auf sie zulief. Wie sie ihn hochhob und rief: »Mein Goldschatz.«
    Er sagte: »Mama, es tut mir leid.«
    Sie setzten sich.
    Lottie entgegnete: »Mir auch.«
    Hägerström hatte sich entschieden. Er würde alles aufs Tableau bringen. Er hatte vor, ihr zu sagen, wie es war.
    Sie hatten eine Stunde Zeit. Er redete schnell. Er berichtete, wie Torsfjäll Kontakt zu ihm aufgenommen hatte. Wie er versucht hatte, so viel wie möglich über JW in Erfahrung zu bringen. Wir er

Weitere Kostenlose Bücher