Das kostbare Opfer
ERSTES KAPITEL
D arf ich bekannt machen —
Leutnant Wheeler«, sagte Sheriff Lavers.
Der Bursche, der ihm gegenüber
saß, war klein, fett und glatzköpfig. Er sah aus wie einer dieser
Porzellan-Buddhas, die man ganz billig in jedem Warenhaus kaufen konnte. Allerdings
betrachtete er die Zigarre in seiner rechten Hand sehr eingehend, einmal etwas
ganz anderes für einen Buddha. »Wheeler«, vervollständigte der Sheriff die
Vorstellung, »das ist Lee Moss von der United Insurance Company. Ein alter
Freund von mir. Wieso eigentlich, weiß ich nicht mehr.«
Moss und ich schüttelten die
Hände, und ich fragte mich, was die Masche bei dem Ganzen war. Ich brauchte
nicht lange zu warten.
»Lee ist Leiter der Abteilung,
die sich mit Ersatzansprüchen befaßt«, fuhr Lavers fort. »Er hat da einen
Versicherungsfall, den er für oberfaul hält.«
»Das steht ihm zu«, sagte ich
höflich.
»Erzählen Sie es Wheeler«,
grunzte der Sheriff.
Moss strich die Asche vom
glühenden Ende seiner Zigarre und starrte mich an. »Es dreht sich um einen Kerl
namens Henry Farnham. Wurde vorgestern abend von einem Wagen überfahren und
getötet. Typischer Fall von Fahrerflucht. Keine Zeugen. Überhaupt nichts, außer
einer Leiche mitten auf der Straße. War schon dunkel, als es passierte. Er kam
aus einer Bar, überquerte die Straße, und da geschah es.«
»Ihrem Stil nach könnte man
meinen, Sie wären bei der Western Union Telegrafengesellschaft«, sagte ich.
Moss grunzte und strich
nichtvorhandene Asche von seiner Zigarre. Jetzt wußte ich auch, weshalb er und
Lavers Freunde waren — dieses Grunzen. »War Farnham betrunken?« fragte ich.
Er schnitt eine Grimasse.
»Nicht mehr als sonst, laut Barkeeper. Er war Stammkunde und kam jeden
Nachmittag einen heben.«
»Und was ist nun faul an der
Sache?«
»Farnham hatte mit uns eine
Lebensversicherung über fünfzigtausend Dollar abgeschlossen«, sagte Moss
nachdrücklich. »Er war ein Playboy und gab das Geld mit vollen Händen aus,
solange er welches hatte, und auch, als er keines mehr hatte. Den Rest seiner
Erbschaft hat er ungefähr vor sechs Monaten durchgebracht. Wenn er kein Stromer
war, so war er doch nahe daran, in dieser Zeit einer zu werden. Aber seine
Prämien wurden immer pünktlich bezahlt. Von seiner Frau.«
»Bekommt sie das Geld?«
»Alles. Sie arbeitet für eine
Werbefirma und hat dort eine gute Stelle. Sie konnte es sich leisten, die
Prämien zu zahlen.«
»Glauben Sie, daß sie ihren
Mann überfuhr, weil sie die Vorstellung, seine Lebensversicherung zu kassieren,
mehr als ihn schätzte?«
Moss schüttelte traurig den
Kopf. »So einfach liegen die Dinge nicht. Sie hatte den ganzen Tag gearbeitet,
und ein Dutzend Leute bestätigen, daß sie sich zu der Zeit, als ihr Mann
getötet wurde, in ihrem Büro befand.«
»Aus welcher Ecke stinkt’s
dann?«
»Ich habe so ein unbestimmtes
Gefühl«, brummte Moss. »Ich bin jetzt schon zwanzig Jahre lang in diesem Beruf,
Wheeler. Man bekommt so ein Gefühl, wenn mit einem Versicherungsfall etwas
nicht stimmt. Sie hat es ja nicht selbst tun brauchen, jemand anderes kann es
für sie getan haben.«
»Haben Sie eine Vorstellung,
wer es gewesen sein könnte?«
»Nein«, sagte er in säuerlichem
Ton. »Aber dieses Gefühl verläßt mich nicht. Ich möchte gern, daß Sie sich
diese Sache einmal ansehen«, sagte er.
»Was soll ich finden, das Ihnen
entgangen ist?«
»Vielleicht kriegen Sie doch
etwas heraus. Der Ermittler einer Versicherungsgesellschaft läßt die Leute
kalt. Aber ein Kriminalbeamter ist ganz was anderes. Manche Leute werden
nervös, wenn sie von einem Kriminalbeamten vernommen werden.«
»Wenn Wheeler Fragen stellt«,
bemerkte Lavers kühl, »werden nur die Frauen nervös.«
»Ich könnte mit der jungen
Witwe sprechen«, sagte ich, während ich mich innerlich für die Sache zu
erwärmen begann. »Sie dürfte im Augenblick eine ganze Menge Probleme haben —
zum Beispiel, wie man die fünfzigtausend ausgibt. Ich könnte ihr helfen, ihre
Probleme zu ordnen.«
»Vergessen Sie nicht, daß Sie
nach einem Verbrechen forschen und nicht eines vertuschen sollen!« sagte
Lavers.
»Sheriff«, antwortete ich, »Sie
wissen doch, wie sehr ich die Gesetze respektiere.«
»Das ist genau das Thema, über
das ich spreche«, brummte er.
David Montello & Co.
verfügten über ein hübsches, sauberes Büro mit einer hübschen, sonnigen
Empfangsdame. Es handelte sich um eine Blondine, und nach der Hautenge
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