Lasse
war, als ob der Kampf unsere Beziehung auf Reset gesetzt hätte.
»Ich war so wütend, weil ... ich habe euch immer beneidet. Dich und Ole. Eure intakte Familie. Und als Inga meinte, ich sollte Ole verklagen, war ...«
Hatte ich das richtig verstanden? »Meine Mutter wollte das?«
Er zuckte mit den Schultern. »Na ja, sie hatte Angst, dass noch Schlimmeres passiert. Sie wollte Ole einen Denkzettel verpassen. Und ehrlich, ich wollte das auch.«
»Deshalb hast du ihn verklagt?«
»Ja, ich dachte, er akzeptiert das. Ich dachte nicht, dass er dann vor Gericht zieht.«
»Und hast dann die Aussage zurückgenommen. Okay. Aber wieso warst du dann so sauer, dass ich nicht ausgesagt habe?«
Gerion seufzte. »Ich fand, du hättest mich verteidigen sollen. Er hat angefangen. Er hat ... er hat mit allem angefangen.«
Zwei Schwestern schoben ein Krankenbett mit einem alten Mann in den Röntgenraum, als ob wir hier nicht warten würden. Erst als der Gang wieder frei war, sprach ich weiter.
»Ole sagt, Lea ist zu ihm gekommen und hat sich ausgeheult. Er sagt, er hat eure Beziehung nicht kaputt gemacht.«
Gerion lächelte schief »Du verteidigst ihn schon wieder, oder?«
»Dann erzähl mir deine Version!«
Gerion machte eine wegwerfende Armbewegung. »Er hat sich doch die ganze Zeit über uns lustig gemacht. Dass wir ein langweiliges Paar wären.«
»Wart ihr langweilig?«
Gerion grinste schief. »Ja, am Ende vermutlich schon.«
»Herr Paulsen, bitte!«
Ich stand auf und ging in den Röntgenraum. Als ich fertig war, riefen sie Gerion herein.
»Ich warte«, sagte ich, setzte mich und stellte mein iPhone wieder an, das wir in der Notaufnahme hatten abschalten mussten. Vier verpasste Anrufe von Agnes, einen von Uli, keinen von Moon. Sie hatte meine Nummer gar nicht, aber ich war mir sicher, dass sie mich auch nicht sprechen wollte. Eine SMS von Krista. Einziger Inhalt: drei Fragezeichen. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten konnte oder sollte.
Etwas später kam Gerion. Er zog sein Hemd hoch und zeigte einen Verband.
»Zwei Rippen angebrochen, danke noch mal!«, sagte er, grinste aber.
Wir verließen die Röntgenabteilung. Mein Handy klingelte, aber ich drückte den Anruf weg, ohne hinzusehen.
»Ne Ahnung, wie wir hier rauskommen?«
Gerion nickte zu einem Fahrstuhl.
»Sind wir nicht von da gekommen?«
Ich drückte auf den Fahrstuhlknopf und zuckte zusammen. Meine Hand war geschwollen und schmerzte.
»Du hast jetzt ein Motorrad?«, sagte Gerion, während wir auf den Fahrstuhl warteten.
»Transalp. Ich dachte, vielleicht mach ich mal ne Tour.«
Ich sah auf die Anzeige, der Fahrstuhl hing irgendwo in den oberen Stockwerken.
»Warum fährst du nicht nach Schweden damit? Du machst doch jetzt ein Praktikum bei deinem Vater«, sagte Gerion.
»Hm.«
Endlich kam der Fahrstuhl und wir stiegen ein. Gerion drückte auf Erdgeschoss.
»Drehst du demnächst?«, fragte ich.
Gerion schüttelte den Kopf. Ich sah in den Fahrstuhlspiegel. Gerion hatte ein Pflaster über dem Auge, ich eines über der Nase. Seine Augen waren geschwollen, mein Wangenkochen brannte rot, meine Lippe war aufgeplatzt, ich schmeckte das Blut. Wir sahen aus, wie zwei Typen, aus einem Wes Andersen Film. Ich sagte es Gerion und er grinste. Unsere Blicke trafen sich im Spiegel. »Ich wollte auch schon immer eine Motorradtour machen.«
»Hm.«
Die Fahrstuhltür sprang mit einem Bimmeln auf. Davor stand Agnes.
»Hier seid ihr. Ist alles okay? Ich kann euch zurück fahren.«
»Ich nehme ein Taxi«, sagte ich kühl, aber Gerion stieß mich an.
»Sie hat extra gewartet. Komm, wir fahren zusammen zurück.«
Agnes parkte in der Nähe des Hotels, das restliche Stück liefen wir. Der Himmel schimmerte gelb-bläulich, es war kurz vor vier Uhr und es wurde hell. An der Rezeption holten wir unsere Schlüssel, dann fuhren wir nach oben.
»Und wenn du innere Verletzungen hast?«, sagte Agnes.
»Sie haben uns geröntgt, es ist alles okay«, wehrte ich ab.
Gerion schwieg und nickte mir nur kurz zu, als wir vor meinem Zimmer ankamen und ging dann weiter den Gang entlang zu seinem Zimmer.
»Ich kann mich um dich kümmern.« Agnes presste ihre kühle Hand gegen meine Stirn. »Du hast Fieber.«
»Agnes, ich möchte jetzt nur in mein Zimmer gehen und schlafen. Einverstanden?« Mein Ton wurde schärfer und die Angst größer, dass sie einfach mit ins Zimmer kam und ich mich nicht wehren würde. Ein Kopfschmerz hämmerte hinter meinen Schläfen.
Sie schob die
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