Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)
Gemeinschaftsgarten. Aber so ist es eher nicht. Der schöne Begriff umschreibt letztlich doch nur das gemeinsame Schaffen von Wohneigentum: zahlen und einziehen. Aber das traut man sich hier, wo nächtens schon mal die Familiengeländewagen brennen, nicht mehr zu sagen.
Ich treffe mich mit Nadja. Wir sitzen in der Sonne, trinken Chai latte und reden darüber, was eigentlich so schlimm sein soll an Leuten wie ihr. Was Leute wie ich Menschen mit Kindern, die hierher in den Prenzlauer Berg oder in andere familienoptimierte Wohnlagen ziehen, genau vorzuwerfen haben. »Was mache ich denn bitte schön falsch, wenn ich für mich und meine Kinder ein gutes Leben haben will, und zwar zusammen mit Leuten, die mir erst mal sympathisch sind?«, sagt Nadja. Gute Frage. Während wir reden, ziehen wie auf Knopfdruck Wagen um Wagen Macchiatomütter vorbei. Gut sehen die meisten aus, schöne Frauen mit schönen Kindern an einem schönen sonnigen Tag. »Ihr seid einfach zu viele«, sage ich zu Nadja, »entschieden zu viele. Die Idee, Kindern als Mitmenschen eine wichtige Rolle einzuräumen, ist immer noch gut, ja. Aber inzwischen ist das gekippt, jetzt gibt es hier keine Erwachsenen mehr, sondern fast nur noch Erwachsene mit Kindern. Und wer nicht in eurem Klub ist, wer vielleicht auch nicht andauernd Rücksicht auf eure Bedürfnisse nehmen will, dem schlagen Ablehnung und Besserwisserei entgegen.«
Nadja ist ratlos. Nicht dass sie sich nicht auch andere Wohngegenden in Berlin angeschaut hätte. Steglitz – zu weit weg und zu bürgerlich; Mitte – zu teuer und zu touristisch; Friedrichshain – schlicht zu schmutzig. Am Ende lief es doch auf den Prenzlauer Berg hinaus, auf gute Bedingungen für gebildete Menschen mit ihren vielversprechenden Kindern. Nadja erzählt von der Baugruppe, von ihren »Mitstreitern«, wie es so schön auf deren Website heißt. Grad neulich hätten sie zusammen Karneval gefeiert. Das sei ein wunderbarer Abend gewesen. Die meisten in der Baugruppe kommen aus dem Rheinland, das hat sich bei den Treffen herausgestellt, und was liegt näher, als die heimischen Bräuche zu pflegen? Sie haben gefeiert und es nach Rheinländer Art krachen lassen, herrlich!
»Gibt’s auch Konflikte?«, frage ich. Die gibt es sehr wohl, konnten bisher aber alle gut gelöst werden, meint Nadja. Da hatte sich zum Beispiel ein leitender Mitarbeiter eines nicht korrekten Energieanbieters beworben. Schnell wurde er gegoogelt, und es stellte sich heraus, dass der brave Mann einer sehr alten, sehr konservativen schlagenden Verbindung angehört. Der wurde abgelehnt. Also nichts gegen Bürgerlichkeit – aber das hier ist schließlich Berlin, seine Gelage und sein Geschlage kann der Mann anderswo, aber nicht in der schönen lustigen Baugruppe abhalten. Zweiter Konfliktpunkt: Tiere. Hunde sind ganz schlimm dort, wo es Kinder gibt. Nadja selbst hat eine ordentliche Hundephobie, da gibt’s nix. Und sie hat sich in den Teilungsvertrag zusätzlich reinschreiben lassen, dass in der Wohnanlage keine Schlangen gehalten werden dürfen. Eine andere Miteigentümerin bittet darum, auf Spinnen zu verzichten. Sind so viele Ängste!
Den sich bewerbenden Hundehaltern haben sie natürlich nicht direkt gesagt, dass sie nicht erwünscht sind, das wurde anders geregelt. Die »Mitstreiter« haben über den betreuenden Anwalt ausrichten lassen, dass vierbeinige Freunde auf den Gemeinschaftsflächen unerwünscht sind. »Gemeinschaftsflächen?«, frage ich. Es stellt sich heraus, dass es sich dabei um alle Wege und Treppenhäuser, den Garten, den hauseigenen Spielplatz und die für alle zugängliche Dachterrasse handelt. Also im Grunde müssten die Hundehalter ihr Tier an der Gartenpforte anleinen, ihm einen Maulkorb verpassen und es dann gesenkten Blickes in die geschlossenen Räumlichkeiten abführen. Wie erwartet, nahmen die Kaufinteressenten Abstand. Das war wirklich besser so. Wo Kinder leben – und in Nadjas Baugruppe werden bald viele, viele Kinder leben –, müssen sich die anderen halt nach der Mehrheit richten. Das ganze Projekt ist schon teuer genug, da muss dann auch wirklich alles stimmen: die Machtverhältnisse, die Hausordnung, die Rollrasensorte.
Es ist keineswegs so, dass die Baugruppe nur Freunde hat. Vor dem Grundstück hat das Architekturbüro eine Plakatwand aufstellen lassen, um den Nachbarn kundzutun, dass hier bald alles noch schöner, noch familiärer wird: »Hier baut die Baugruppe 15 neue Eigentumswohnungen«, steht darauf. »Und
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