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Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Titel: Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niccolò Ammaniti
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Schreibmaschinen. Die überquellenden Aschenbecher voller Kippen. Die Mittagessen mit den Kollegen in der Osteria Gazelle . Und vor allem erinnerte er sich an die Reisen. Die Olympischen Spiele in Helsinki. Die Leichtathletikweltmeisterschaft in Oslo. Die Schwimmweltmeisterschaft in den USA. Eine Portugiesin mit Pony und Sommersprossen, deren Namen er vergessen hatte.
    In der Dunkelheit des Schlafzimmers wurde Piero Ristori bei diesen Gedanken so wehmütig zumute, dass sich seiner Brust ein tiefer Seufzer entrang. Aus seinem Leben waren ihm nur unzusammenhängende, sinnlose Erinnerungen geblieben. Empfindungen, Gerüche und der Wunsch, in die Vergangenheit zurückzukehren.
    Was für ein phantastisches Leben. Wenigstens bis zur Pensionierung.
    Von da an war ihm klar: Er war alt, und was er jetzt erlebte, war das Fegefeuer auf Erden. Mitunter bedauerte er, nicht derart verblödet zu sein (wie die meisten seiner Freunde), dass er davon nichts mitbekam. Schmerzlich war ihm bewusst, dass sich sein Charakter verändert hatte. Wegen jedem Blödsinn regte er sich auf, verachtete die jungen Leute, das Durcheinander, all jene, die weiterleben würden, wenn ihn schon die Würmer fraßen. Für ihn brachte das Alter keinen einzigen Vorteil, sondern war nur mit Nachteilen verbunden.
    Der einzige Augenblick des Tages, den er mochte, war der frühe Morgen, wenn das Licht langsam durch die Fensterläden sickerte und die Vögel zu zwitschern begannen. Dann sprang er wie befreit aus dem Bett, verließ dieses Grab, in dem seine Frau wie bewusstlos lag, zog sich an und ging mit Max, dem kleinen Jack Russell Terrier, Gassi. Die Stadt war dann noch still und ruhig. Er kaufte Milch und frisches Brot auf dem Markt, dann die Zeitungen. Damit setzte er sich auf eine Bank im Parco Nemorense (früher war er immer in die Villa Ada gegangen, als sie von der Kommune verkauft worden war, war er fassungslos gewesen) und blätterte die Tageszeitungen durch, während er Max frei laufen ließ.
    An diesem Tag kam er zehn Minuten später als gewöhnlich bei seinem Zeitungshändler in der Via Salaria an. Am Abend zuvor hatte er eine Schlaftablette genommen, um den Höllenkrach von Chiattis Party nicht mit anhören zu müssen. Schon den ganzen Tag über war das gesamte Viertel blockiert gewesen, alles nur wegen dieses Mafiatypen.
    Piero Ristori kaufte den Messaggero , die Gazzetta dello Sport und ein Rätselheft bei Eugenio, dem Zeitungsmann, der gerade dabei war, die letzten Zeitungspakete auszupacken.
    »Guten Morgen, Dottore. Haben Sie gestern die Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Demonstranten gehört?«
    Aus unerfindlichen Gründen machte Max sein Geschäft am liebsten vor dem Zeitungskiosk. Piero Ristori zerrte an der Leine, aber der Hund war schon mitten drin. »Natürlich hab ich’s gehört. War ja laut genug. Sie sollen alle zur Hölle fahren!«
    Eugenio streckte den schmerzenden Rücken. »Angeblich waren auch Paco Jiménez de la Frontera, Milo Serinov und die ganze Mannschaft dabei.«
    Der Alte zog eine Plastiktüte aus der Tasche, um den Haufen von Max aufzusammeln. »Und wenn schon. Weißt du was, das ist mir so was von egal, ich interessiere mich nicht mehr für Sport.«
    Eigentlich wollte Eugenio gerade fragen, warum er denn dann jeden Tag die Gazzetta dello Sport kaufe, aber er hatte keine Lust, sich mit dem Alten herumzustreiten. Schade eigentlich. Immerhin war er ein großer Sportreporter gewesen, ein netter Kerl, aber seit seiner Pensionierung war er unausstehlich und hasste die ganze Welt.
    Bei mir wird das alles anders, wenn ich in Rente gehe, werde ich ein besserer Mensch , sagte sich der Zeitungsmann. Dann kann ich endlich in aller Ruhe zum Angeln an den Lago di Bolsena fahren. Bis dahin muss ich nur noch zweiundzwanzig Jahre die Zähne zusammenbeißen.
    Piero Ristori warf einen Blick auf die erste Seite der Gazzetta . Dort ging es um die millionenschwere Ablöse für einen französischen Fußballer. »Siehst du? Es geht nur noch ums Geld. Den Sport, richtigen Sport …«
    Eigentlich wollte er den Satz zu Ende bringen und sagen, was er jeden Tag zu seiner Frau sagte. Den Sport, richtigen Sport wie früher bei den Olympischen Spielen, den gibt es nicht mehr. Doch ein plötzliches Donnern brachte ihn zum Verstummen. Er drehte sich zur Salaria um, konnte aber nichts erkennen. Aber das Donnern ging weiter.
    Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn … Das erinnerte ihn an irgendwas. An das Donnern, das man beim

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