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Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Titel: Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niccolò Ammaniti
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hatte. Alle Zellen, alle Sehnen, alle Neuronen in seinem Körper waren am Ende ihrer Kräfte. Mit dem Blut schwanden auch die letzten Energien.
    Komm, halt durch, bitte, gib jetzt nicht auf , beschwor er sich und spürte, wie ihm wieder die Tränen in die Augen stiegen.
    Mit dem gesunden Bein tastete er die Wand ab, bis er eine Nische fand, wo er sich abstützen konnte. Dann streckte er die Hand aus und klammerte sich an einen kleinen Vorsprung. »Schnell! Steig an mir hoch.«
    Larita nutzte ihn wie eine Leiter und kletterte an ihm hoch. Sie setzte die Füße auf die Schultern, dann auf den Kopf.
    Bitte, bitte … Mach schnell … Ich kann nicht mehr , schrie er ins Wasser hinein.
    Plötzlich spürte er, wie die Last leichter wurde. Er sah nach oben. Larita hatte das Loch erreicht und stemmte die Füße gegen den Rand. Mit einer Hand hielt sie sich an einer Wurzel fest, die aus der Wand herauswuchs.
    »Ich hab’s geschafft.« Larita war außer Atem. »Jetzt gib mir deine Hand, ich ziehe dich nach oben.«
    »Das kannst du nicht …«
    »Wieso nicht?«
    »Die Wurzel wird reißen … Und du fällst wieder ins Wasser.«
    »Nein. Die ist kräftig. Keine Sorge. Gib mir die Hand.«
    »Geh und hol Hilfe. Ich warte hier. Nun geh schon. Kümmer dich nicht um mich.«
    »Nein, ich lass dich nicht im Stich. Wenn ich jetzt gehe, hältst du nicht durch und wirst von der Strömung mitgerissen.«
    »Bitte, Larita … Geh … Ich sterbe … Ich spüre meine Beine nicht mehr. Da ist nichts mehr zu machen.«
    Larita brach in lautes Schluchzen aus. »Das will ich nicht … Es ist nicht richtig … Ich lasse dich nicht im Stich. Du … wie heißt du eigentlich, ich weiß nicht mal deinen Namen …«
    Saverio hatte nur noch Mund und Nase über Wasser. »Mantos, ich heiße Mantos.«
    »Mantos, du hast mir das Leben gerettet, und ich soll dich einfach sterben lassen? Bitte lass es uns wenigstens einmal versuchen.«
    »Aber wenn es nicht klappt, dann gehst du, versprochen?«
    Larita wischte sich die Tränen ab und nickte.
    Mantos schloss die Augen, sammelte das bisschen Kraft, das ihm noch geblieben war, stieß sich ab und reckte sich Laritas Hand entgegen. Aber er streifte sie nur und fiel wieder hinunter, mit ausgebreiteten Armen, als hätte man ihm in die Brust geschossen. Sein Körper plumpste ins Wasser, tauchte noch einmal kurz auf und wurde dann von der Strömung fortgerissen. Er leistete keinen Widerstand und wurde nach unten gezogen.
    Anfänglich wehrte der Körper sich noch, kämpfte gegen den Untergang. Aber dann gab er auf, wurde ruhig, und Saverio hörte nur noch das Wasser in den Ohren rauschen. Es war schön, sich einfach gehen zu lassen, sich in die Tiefe ziehen zu lassen, ins Dunkle. Das Wasser, das ihm den Tod bringen würde, löschte den letzten Funken Leben.
    Welche Erlösung, sagte er sich, dann konnte er nicht mehr denken.

76 Ein winziges Pünktchen hielt die Sonne am Horizont verankert, als Fabrizio Ciba die Augen aufschlug.
    Er sah ein Gewölbe aus goldenen Blättern, Fliegenschwärmen, Schmetterlingen. Überall um ihn herum zwitscherten Vögel. Und er hörte Wasser laufen und sanft plätschern wie in einer Dusche. Er atmete den Geruch von feuchter Erde ein. Auf Schultern, Nacken und die nassen Fetzen, die er am Leib hatte, schien die sanfte Wärme der Sonnenstrahlen.
    Er blieb liegen, dachte an gar nichts. Dann verdichteten sich die Erinnerungen an die letzte Nacht, an die Katakomben, an die Wand aus Wasser, die ihn unter sich begraben hatte, langsam zu einem Gedanken. Einem sehr positiven Gedanken.
    Ich lebe noch.
    Diese Erkenntnis hatte etwas Tröstliches, und ihm kam der Gedanke, dass selbst die schlimmste Erfahrung vorüberging. Allmählich würde sie an Dramatik verlieren, und in ein paar Monaten würde er nur noch mit einer Mischung aus Vergnügen und Bedauern daran zurückdenken. Und sie würde einen Sinn ergeben.
    So funktioniert das menschliche Gehirn nun mal.
    Erstaunt stellt er fest, wie weise er war.
    Aber jetzt musste er erst mal herausfinden, wo er sich befand. Er stützte sich auf die Ellbogen und stellte fest, dass er in einem breiten Bett aus Schlamm und Sand lag, das sich zwischen zwei baumbestandenen Hügeln erstreckte. In der Mitte floss ein Wasserrinnsal. Überall verstreut lagen Knochen, Schuhe, eine Reitkappe und ein großes Krokodil mit weißem aufgeblähtem Bauch, über dem schon die Fliegen summten.
    Er stand auf und reckte sich. Erleichtert stellte er fest, dass er keine

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