Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)
Verletzungen hatte und sich nur ein bisschen kaputt, aber fit fühlte. Und er merkte, dass er Hunger hatte.
Das ist ein gutes Zeichen. Ein Lebenszeichen.
Er ging der Sonne entgegen. Als er gähnend aus dem Wäldchen herauskam, war die Aussicht so atemberaubend, dass er stehen bleiben musste.
In der Vegetation öffnete sich eine Blickschneise. In der Ferne sah man die vom morgendlichen Berufsverkehr verstopfte Olimpica, die verlassenen Rugby-Felder im Sportzentrum Acqua Acetosa, die reglose graue Tiberschleife. Und weiter hinten die Hochstraße des Corso Francia voller Autos und den üppig bewachsenen Fleming-Hügel.
Rom.
Seine Stadt. Die schönste und älteste der Welt. Noch nie hatte er sie so geliebt wie in diesem Augenblick.
Vor seinem geistigen Auge beschwor er eine Bar herauf, irgendeine beliebige römische Bar. Mit Angestellten in Jacke und Krawatte, die sich vor dem mit Zucker bestreuten Tresen drängten. Mit Cremehörnchen. Apfeltaschen. Tramezzini. Mit dem Geklapper von Tellern und Tassen, die ins Waschbecken gestellt wurden. Dem Klingeln der Kaffeelöffel. Dem Corriere dello Sport .
Als er den Hügel hinabging, hüpfte er fast. Wenn er sich recht erinnerte, ging es dort zum Ausgang. Er fand einen Weg, der durch den Wald zum See hinunterführte, und nahm zwei Stufen auf einmal.
Doch dann lag da etwas, ein merkwürdiges Ding, mitten auf den Stufen. Er ging langsamer. Es war aus Metall und hatte Räder. Als er näher kam, begriff er, was es war.
Ein Rollstuhl.
Er war auf die Seite gekippt. Und daneben lag noch etwas, ein Körper. Fabrizio hielt den Atem an und ging näher heran.
Zunächst erkannte er ihn nicht, er sah nur den kahlen Schädel, die Segelohren. Die Fäkalientasche von Vuitton.
Erschrocken fuhr er sich mit der Hand in die Haare. O Gott, das ist Umberto Cruciani.
Wie er da so ohne seinen Rollstuhl am Boden lag, sah der große Meister aus wie ein Einsiedlerkrebs ohne Haus.
Fabrizio brauchte ihn nicht anzufassen, um sicher zu sein, dass er tot war. Die Augen unter den dichten dunklen Augenbrauen waren weit aufgerissen. Der zahnlose Mund stand offen. Die Hände waren verkrampft.
Vermutlich war er die Stufen hinuntergestürzt.
Fabrizio beugte sich über die Leiche des großen Schriftstellers und drückte ihm die Augen zu.
Noch einer der ganz Großen war gegangen. Der Autor von Westliche Mauer und Brot und Nägel , den Meisterwerken der italienischen Literatur der Siebzigerjahre, war gegangen und ließ die Welt ärmer und trister zurück.
Fabrizio Ciba wurde von einem Schluchzen geschüttelt, dann von noch einem. Er hatte nicht ein einziges Mal geweint, aber jetzt weinte er hemmungslos wie ein Kind.
Aber nicht aus Trauer, sondern vor Freude.
Er wischte sich die Tränen ab, streichelte Cruciani über das hagere Gesicht und riss ihm mit einem Ruck den 40-Gigabite-USB-Stick vom Hals.
Lächelnd zog er die Nase hoch. »Danke, Meister. Du hast mich gerettet.«
Und er küsste ihn auf den Mund.
77 Larita hatte es geschafft, aus dem Brunnenschacht herauszukommen. Dank der Wurzeln war es ihr gelungen, bis nach oben zu klettern.
Jetzt lief sie mit gesenktem Kopf über eine große Wiese, auf der Gnus, Büffel und Kängurus weideten.
Immer wieder sah sie im Geiste die Szene vor sich, wie Mantos ihre Hand streifte, einen Zettel hineinschob und dann im schwarzen Wasser verschwand.
Sie zog das vollkommen durchweichte Stück Papier aus der Tasche. Darauf stand verwaschen, aber noch lesbar: Für Silvietta.
Aber wer war Silvietta? Und vor allem, wer war Mantos?
Ein Held, der aus dem Nichts aufgetaucht war und sich geopfert hatte, um sie zu retten.
Vielleicht war Silvietta seine Liebste.
Als die Sängerin gerade den Zettel aufklappen wollte, hörte sie die Sirenen der Polizei.
Mit dem Zettel in der Hand rannte sie los.
Halali
78 D er Feuerwehr war es erst nach mehrstündigem Einsatz gelungen, eine Bresche in die Parkmauer zu schlagen. Das war einfacher, als die Stahltore aufzubrechen. Man hatte den Platz abgesperrt, der sich rasch mit Schaulustigen, Polizeiautos, Dutzenden von Krankenwagen, Journalisten und Fotografen füllte. Die meisten Festgäste kamen einzeln. Viele konnten sich kaum auf den Beinen halten, wurden von Sanitätern in Empfang genommen und sofort auf Bahren verfrachtet. Corman Sullivan steckte man in eine aufblasbare Überdruckkammer. Antonio, Saverios Cousin, hatte einen dicken Kopfverband und trank heißen Tee. Paco Jiménez de la Frontera und Milo Serinov telefonierten
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