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- Lasst die Toten ruhen

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Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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zu stellen. Er erklärte ihr jedoch, in ihrem gegenwärtigen Zustand der Erregung müsse sie ihn alle Erklärungen bis auf den morgigen Tag verschieben lassen, dann solle ihre Neugierde vollständig befriedigt werden. Als sie ankamen, führte er sie auf ihren Raum und erzählte dem Ritter, dass seine Tochter zu erschöpft vom Ausritt sei, um am Abendessen teilzunehmen.
      
    Am nächsten Morgen stand Franziska früher auf, als sie es für lange Zeit getan hatte. Sie versicherte ihrer Freundin, dass sie wirklich ausgeruht vom Schlaf erwacht sei. Zum ersten Mal, seit ihre Krankheit begonnen habe. Und was noch bemerkenswerter sei, sie habe nicht den fürchterlichen Traum gehabt. Dass sie gesünder und frischer aussah, bemerkte nicht nur Bertha, sondern auch Franz und der Ritter. Mit der Erlaubnis von Woislaw berichtete sie von dem Abenteuer der vergangenen Nacht. Sobald sie ihre Erzählung beendet hatte, wurde Woislaw mit Fragen bezüglich dieses seltsamen Zwischenfalls bestürmt.
    »Habt Ihr«, fragte Woislaw sich an seinen Gastgeber richtend, »jemals von Vampiren gehört?«
    »Häufig«, antwortete er, »aber ich habe diese Geschichten nie ernst genommen.«
    »Ich genauso wenig. Aber ich wurde ihrer Existenz durch Erfahrungen versichert.«
    »Oh, erzählt uns, was sich zugetragen hat«, rief Bertha eifrig, als ihr ein Licht zu dämmern schien.
    »Es war während meines ersten Feldzugs in Ungarn«, begann Woislaw, »als ich für einige Zeit durch den Schwertstreich eines Janitscharen quer über mein Gesicht und einen weiteren über meine Schulter hilflos geworden war. Ich war im Hause einer achtbaren Familie jener kleinen Stadt aufgenommen worden. Die Familie bestand aus dem Vater, der Mutter und einer Tochter von etwa zwanzig Jahren. Sie bestritten ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf eines sehr guten Weines aus der Gegend; ihre Schankstube war stets gefüllt mit Gästen. Obwohl die Familie in der Welt gut gestellt war, schien es, als bedränge sie eine eigentümliche Melancholie, verursacht von der langwierigen Krankheit ihrer einzigen Tochter, einem sehr hübschen und guten Mädchen. Sie war wie eine Rose aufgeblüht, doch seit einigen Monaten wurde sie immer dünner und schwächer und dieses ohne ersichtlichen Grund: Jede Kur, jedes Heilmittel wurde versucht, doch alles war vergebens. Als die Armee ganz in der Nähe ihr Lager aufschlug, wurde die Taverne natürlich mit Menschen aus aller Herren Länder gefüllt. Unter ihnen war ein Mann, der jeden Abend kam, wenn der Mond schien. Er fiel jedermann durch seine befremdlichen Manieren und sein Aussehen auf; er sah ausgetrocknet und leichenhaft aus und sprach nur sehr wenig, aber alles, was er sagte, war bitter und sarkastisch. Doch am meisten Aufmerksamkeit erregte der Umstand, dass er immer einen Becher Wein orderte und ihn auch gelegentlich an die Lippen hob, der sich jedoch im Laufe des Abends nie leerte.
    »All dies passt wunderbar zum Auftreten von Azzo«, warf Bertha ein.
    »Der Tochter des Hauses«, fuhr Woislaw fort, »ging es von Tag zu Tag schlechter, obwohl sie nicht nur die christlichen Ärzte pflegten, sondern auch die heidnischen Heiler, die gerufen in der Hoffnung wurden, dass sie vielleicht irgendein magisches Heilmittel wüssten. Es war einzigartig, dass das Mädchen sich stets über einen Traum beklagte, in dem der unbekannte Gast sie bedrängte und plagte.«
    »Genau wie dein Traum, Franziska«, rief Bertha.
    »Eines Abends«, nahm Woislaw seine Erzählung wieder auf, »saßen ein alter Slawe und ich bei einem Wein beisammen am Tisch. Der Alte war weit gereist, er hatte die Türkei, Griechenland und sogar die Neue Welt gesehen. Die Flasche wanderte schnell zwischen meinem Freund und mir hin und her und so redeten wir über alle erdenklichen Dinge, über unsere Abenteuer, Zeiten in unserem Leben, schreckliche und komische. So schwatzen wir etwa eine Stunde und tranken einigen Wein. Der Unbekannte war die ganze Zeit völlig still geblieben. Er grinste nur bisweilen verächtlich. Dann legte er sein Geld auf den Tisch und ging. Irgendetwas hatte mich daran beunruhigt – vielleicht war mir der Wein zu Kopfe gestiegen – und daher rief ich den Fremden an: ›Wartet, Ihr felsiger Fremder. Ihr habt bisher nichts getan, als zu lauschen, Ihr habt nicht einmal Euren Becher geleert. Nun seid Ihr an der Reihe, uns einen Schwank zu erzählen, und wenn Ihr Euren Wein nicht trinkt, so wird es Händel zwischen uns geben.‹ ›Ja‹, sagte der Slawe, ›Ihr

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