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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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Vermählungsfeier noch auf drei Monate hinausgeschoben. Dieser Zeitraum dünkte freilich dem Liebenden eine Ewigkeit, allein unerträglich wurde ihm das Verschieben seines Glückes nicht, da ihn kein Trieb wilder Sinnlichkeit spornte und da er doch während der Zeit des Umganges seiner Braut genoss.
    Ein Monat war den Liebenden unter seligen Gefühlen verflossen, eine jede Stunde ihres beinahe immerwährenden Beieinanderseins hatte sie einander lieber gemacht. Mit dem höchsten Freudengefühl sahen Leodogars Eltern diese stets innigere Bestätigung des schönen Bundes, der ihnen ein glückliches Alter sichern sollte, und segneten ihr Schicksal, das ihnen nach so vielem Gram dennoch eine reiche Freudenernte für die Zukunft verhieß. Diese vier glücklichen Menschen genügten einander so sehr in ihrem Umgang, und ihre Aussichten auf nahe künftige Freuden beschäftigten sie so ausschließlich, dass ihnen jeder Besuch, den sie Standeshalben ablegen oder annehmen mussten, lästig wurde. Ihr stilles Glück vertrug keine Zeugen, die nicht mit voller Seele Teil daran nehmen konnten, darum beschränkten sie so viel wie möglich allen gesellschaftlichen Umgang auf die wenigen treuen Freunde, die sich mit ihnen aus aufrichtigem Herzen über ihre Zufriedenheit freuten.
    Aus diesem Grunde war es der Familie nicht ganz angenehm, als sich einst, da sie noch spätabends in einer Gartenlaube beisammensaßen, eine fremde Dame melden und um ein Nachtlager bitten ließ, da ihr Reisewagen unfern dem Schlosse gebrochen war. Man wollte sich erheben, um die Fremde zu empfangen, aber diese kam schon, von einem Bedienten geführt, zur Laube und stellte sich dem gräflichen Ehepaar vor. In lange weitfaltige Schleier gehüllt, erschien die Gestalt der Dame in dem matten Dämmerlichte des Abends beinahe gespensterhaft und erweckte in allen einen unwillkürlichen Schauder. Die Umrisse und Züge des Gesichts erlaubte die Dunkelheit nicht mehr zu erkennen, aber als sie zu sprechen anfing, da hörte man eine bezaubernd wohlklingende Stimme und vernahm so gewählte Ausdrücke, dass über ihren Stand kein Zweifel stattfinden konnte. Der alte Graf bat um ihren Namen, um ihr die gebührende Ehre erzeigen zu können; sie nannte sich eine Marchese von Val Umbrosa [5] , aus dem Kirchenstaate herkommend.
    Wenngleich dann die zellensteinsche Familie wohl fühlte, dass ihre behagliche Ruhe durch die Ankunft dieser vornehmen Fremden auf einige Zeit unterbrochen werden würde, so herrschte in diesem Hause doch zu viel wahre Gastfreundschaft und zu viel gute Lebensart, um es der Fremden auch nur auf die entfernteste Weise merken zu lassen, man wäre ihres Besuches gerne überhoben; im Gegenteil beeilten sich der Graf und die Gräfin, sogleich die nötigen Befehle für die Bequemlichkeit ihres Gastes zu geben, baten die Marchese, sich als in ihrem Eigentum befindend anzusehen, und führten sie ins Schloss, wo man eben die Abendtafel gerüstet hatte.
    Als man in den Speisesaal trat und der Kerzenglanz die Fremde beleuchtete, da wurde man ein Gesicht gewahr, das durch eine ganz ungewöhnliche Schönheit überraschte. Man hatte erwartet, den bräunlichen italischen Teint an ihr zu erblicken, sie hatte aber das zarte Kolorit einer Nordländerin, nur ihr Auge war wie bei den mehresten römischen Damen schwarz, auch hatte sie die bei ihren Landsmänninnen gewöhnliche stolze Haltung. Die Marchese wusste durch ihr Betragen sämtliche Mitglieder der Familie für sich einzunehmen, und bald hatte sie die Herzen aller gewonnen. Der gute Ton erlaubte nicht, sie über ihre Abkunft, Verhältnisse und den Zweck ihrer Reise zu befragen, indessen kam sie dem Wunsche ihrer Gastfreunde, etwas davon zu erfahren, entgegen und erzählte Folgendes:
    Ihre Mutter war eine geborene Deutsche. Ihren Gemahl – er war der Letzte seines Stammes – hatte sie kurz nach der Hochzeit verloren und war jetzt unabhängig in dem Besitz eines großen Vermögens. Der Wunsch, das Vaterland ihrer Mutter kennenzulernen, zu welchem dieselbe eine große Vorliebe gehegt hatte, war der Beweggrund ihrer Reise gewesen; sie hatte sich vorgesetzt, die vornehmsten deutschen Höfe zu besuchen, und war gerade auf dem Wege nach Berlin begriffen, bis wohin sie aber von Zellenstein noch über vierzig Meilen hatte.
    Die Gräfin Zellenstein fand sich bewogen, der liebenswürdigen Fremden den Vorschlag zu machen, einige Tage in Zellenstein auszuruhen, und diese willigte gern ein, da ihr, wie sie versicherte, wirklich

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