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Lasst Kinder wieder Kinder sein - Winterhoff, M: Lasst Kinder wieder Kinder sein

Titel: Lasst Kinder wieder Kinder sein - Winterhoff, M: Lasst Kinder wieder Kinder sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Winterhoff
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Der Mensch will immer nach vorne denken, sich weiterentwickeln, neuen Input bekommen. Das liegt in seiner Natur, ohne diese Tatsache gäbe es auch all die positiven Erfindungen der letzten Jahrtausende nicht, die der Menschheit immer wieder auch ihr Überleben gesichert haben. Das Ziel kann also nicht sein, Fortschritt zu verhindern, sondern Ziel muss sein, den Menschen zu ermächtigen, mit dem Fortschritt leben zu können. Das kann er jedoch nicht, wenn er sich selbst in einem Maße verliert, wie ich es hier analysiere.
Der im Katastrophenmodus lebende Mensch denkt irgendwann nur noch an sich und das eigene Überleben und ist in Gefahr, seinen Status als soziales Wesen, das in der Gemeinschaft erst für den genannten Fortschritt sorgen kann, zu verlieren.

Was können wir tun?
    »Nein, Dauergalopp ist kein Synonym für Leben.«
    (Statuseintrag eines Users auf seiner Facebook-Seite)
     
    Auch der ständige Wechsel, die eigentlich irritierende Unbeständigkeit der Gesellschaft wird von unserer Psyche als stabilisierender Faktor genutzt. Aus diesem Grund können wir auch oft nicht einfach so sagen, diese oder jene Mode interessiere uns nicht. Der schöne Spruch »Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß« gilt heute kaum noch. Das Gefühl, Dinge nicht zu wissen, dominiert und macht uns damit erst recht heiß, weil es uns die Gefahr suggeriert, abgehängt zu werden. Unsere hochgedrehte Psyche im Katastrophenmodus ist ja »heiß«, sie rotiert unablässig, und zur Stabilisierung muss sie auch heiß bleiben. Die Unwägbarkeiten des Lebens, die uns so stressen, sind ihr also hochwillkommen.
    Gibt es eine dauerhafte Lösung des Dilemmas? Können wir dem Hamsterrad entkommen und verhindern, gleich wieder einzusteigen? Ich behaupte: Ja, das geht. Allerdings nicht durch das Abarbeiten von Ratgeber-Checklisten. Dass Entspannung und Ruhe notwendig sind, um diesen Wiedereinstieg zu verhindern, ist klar. Dass wir abschalten müssen, ist ebenfalls klar. Aber wie geht das?
    Wir müssen uns Gedanken über die Reihenfolge machen. Der Gedanke, Entspannung und Ruhe schnell und sicher
durch ein paar einfache Strategien finden zu können, ist verlockend, überspringt jedoch den Schritt der Bewusstwerdung über die Mechanismen, die uns in den Katastrophenmodus geführt haben. Daher suchen wir die Entlastung häufig auf den falschen Wegen, weil wir dann immer noch aus dem Hamsterrad heraus agieren und krampfhaft überlegen, wie wir die Stressbefreiung am effektivsten einkaufen und organisieren.
    Abschalten geht eben nicht einfach so:
    »Abschalten – das klingt einfach. Wir müssen uns zunächst der schleichenden Bedrohung unseres begrenzten Zeit- und Aufmerksamkeitsbudgets durch tausend Zeitdiebe und Ablenkungen bewusst werden. Und wir müssen uns fokussieren auf die eigenen Stärken und Interessen, auf die Menschen, die uns etwas bedeuten. Erst wenn wir das buchstäbliche Abschalten und Ausschalten von Informationen und Stimulationen nicht mehr als Verzicht oder Verlust empfinden, werden wir freier. Und dann wird es leichter, auch im übertragenen Sinne einfach mal abzuschalten.« 31
    Bewusst werden, fokussieren, abschalten. Begriffe in diesem kleinen Zitat, die mir wichtig und richtig erscheinen. All das können wir jedoch nur selbst schaffen, es ist ein Irrglaube, auch das einfach einkaufen zu können, um Zeit zu sparen.

     
     
    Bewusster die Kontrapunkte setzen
     
    Ich habe die Wellness-Industrie angesprochen, die vielfältigen Angebote, die von außen auf uns einstürmen, um vermeintlich wieder zur Ruhe zurückzukehren und »runterzukommen«. Viele dieser Angebote halten uns aber letztlich nur im Hamsterrad, wir benutzen sie unbewusst, um eben nicht »aussteigen« zu müssen, sondern auch in der freien Zeit, die eigentlich der Muße dienen sollte, noch etwas zu tun zu haben. Weil wir das Nichtstun, und damit uns selbst, nicht aushalten, sind wir dankbar für all diese Möglichkeiten, drohende Ruhephasen mit Aktivität vollzustopfen.
    Diese Industrie lebt davon, dass sie uns scheinbar Wohlbefinden verkauft. Die Menge an Wellness-Angeboten ist schier unüberblickbar geworden, was jedoch – siehe Freiheit der Auswahl – gleich auch schon wieder Teil des Problems ist.
    Wer sich gestresst fühlt, dem wird suggeriert, er müsse aktiv dagegen vorgehen und sich ein maßgeschneidertes Entspannungsangebot heraussuchen, das ihn von seiner Last befreien wird. Dabei erzeugt nicht nur die Menge an Möglichkeiten neuen Druck, sondern auch

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