Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
vielleicht weiterhelfen.«
»Ja, das wäre sehr nett. Vielen Dank.«
12
Ich verließ das Neuro und fuhr direkt zur Carcajou-Zentrale, wo die zweite von Roys Hintergrundssitzungen stattfand. Das Treffen hatte bereits angefangen, und ich schlüpfte auf einen der hinteren Stühle, während mein Hirn noch immer verarbeitete, was ich von Carolyn Russell erfahren hatte. Unser Gespräch hatte so viele Fragen aufgeworfen wie beantwortet.
Inwiefern hatte der Hydrozephalus mein unbekanntes Mädchen beeinträchtigt? War sie kränklich gewesen? Behindert? Geistig zurückgeblieben? Wie konnte ein junges Mädchen in diesem Zustand in einem Grab auf dem Gelände eines Biker-Clubs enden? War sie eine freiwillige Teilnehmerin oder noch eine Unschuldige wie Emily Anne Toussaint?
Diesmal benutzte Roy Transparentfolien, und eine strukturierte Auflistung füllte die Leinwand. Ich zwang mich zur Aufmerksamkeit.
»Outlaw-Motorradclubs charakterisieren sich durch eine Reihe gemeinsamer Merkmale. Die meisten OMCs sind nach dem Vorbild der Hells Angels organisiert. Wir werden darauf noch einmal zurückkommen und uns diese Struktur im Detail anschauen.«
Er deutete auf den zweiten Punkt.
»Alle Clubs gehen bei der Auswahl ihrer Mitglieder sehr selektiv vor, und Aufnahmewillige, so genannte ›Prospects‹ oder ›Strikers‹, müssen erst beweisen, dass sie der Farben des Clubs würdig sind.«
Er bewegte sich auf der Liste nach unten.
»Die Farben, das heißt der Aufnäher des Clubs, sind der wertvollste Besitz eines Mitglieds. Doch nicht jeder trägt die Farben. Personen, die der Bande nützlich sein können, dürfen als so genannte Assoziierte agieren, ohne Mitglied zu sein.
Das Hauptaugenmerk eines OMC sind kriminelle Aktivitäten. Jeder Club hat Regeln, die Gewalt zur Förderung der Interessen des Clubs oder seiner Mitglieder gutheißen. Informationssammlung wird sehr intensiv betrieben, darunter auch die Überwachung anderer Banden oder der Strafverfolgungsbehörden.«
Roy deutete mit seinem Stift auf den letzten Punkt der Liste.
»Das Clubhaus, das oft stark befestigt und mit hoch moderner Ausrüstung versehen ist, ist der Treffpunkt für Clubaktivitäten.«
Ich dachte an das Haus der Vipers in St.Basile und fragte mich, an welchen Aktivitäten wohl ein sechzehnjähriges Mädchen mit einem Wasserkopf teilgenommen hatte.
Roy zog die eine Folie von dem Projektor und legte eine andere auf, diesmal ein Baumdiagramm mit der Überschrift: »Politische Struktur eines OMC: National«.
Am unteren Ende beginnend, erklärte Roy die Hierarchie.
»Die Basis eines OMC ist die Ortsgruppe. Ein unabhängiger Outlaw-Motorradclub wird Teil einer größeren Organisation, wie etwa der Hells Angels, erst nachdem dessen Satzung von der landesweiten Mitgliederschaft per Abstimmung gutgeheißen wurde. Dies ist ein langwieriger Prozess, auf den wir später noch eingehen, wenn wir die Zeit dazu haben.
Jede Ortsgruppe operiert in einem bestimmten Gebiet und behält ein gewisses Maß an Autonomie, muss sich aber an die Regeln halten, die von der Organisation festgelegt wurden. Diese Regeln, entweder in Form von ergänzenden Statuten oder einer Satzung, definieren die Rechte und Pflichten der Bande und ihrer Mitglieder.«
Roy legte eine neue Folie auf den Projektor. Dieses Diagramm trug den Titel: »Politische Struktur eines OMC: Ortsgruppe«.
»Jede Ortsgruppe hat ihr eigenes Kontrollgremium, das von den Mitgliedern gewählt wird. Normalerweise gibt es einen Präsidenten, einen Vizepräsidenten, einen Schatzmeister und einen Spieß. Ein Spieß ist derjenige, der für die Aufrechterhaltung der Ordnung im Inneren und des Friedens außerhalb der Gruppe verantwortlich ist.«
»Schätze, dass keiner unserer Trottel vor Ort auf der Vorschlagsliste für den diesjährigen Nobelpreis steht.« Kuricek war in Hochform.
Roy brachte das aufkeimende Lachen mit einer Handbewegung zum Verstummen.
»Es gibt auch einen so genannten ›Road Captain‹, einen gewählten Funktionär, der für die Rallyes verantwortlich ist. Und dann natürlich die einfachen Mitglieder –«
»Und das meint er wörtlich.« Kuricek tippte sich an die Stirn.
»– die ein Mitspracherecht in Dingen haben, die die Gruppe angehen, aber letztendlich trifft der Präsident die Entscheidungen. Einige der größeren Clubs haben darüber hinaus einen Sicherheitsoffizier, der die Pflicht hat, die Informationen über rivalisierende Banden, Reporter, Anwälte, Richter, Beamte, Zeugen und
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