Lasst uns ueber Liebe reden
schön weiter!«, flüsterte sie
ehrfürchtig. »Lass dich nicht stören!«
Die
deutsche Blasmusik ging in Opernklänge über und die kleinen Ziegenhirten
verließen die Bühne. Dafür kamen jetzt Models in wehenden langen schwarzen
Wollumhängen, mit Straußenfedern im Haar und pfauenblauen schenkelhohen
Wildlederstiefeln. Sie sahen aus wie Figuren aus einem »Herr der Ringe«-Film.
Dan klappte sein Notizbuch wieder auf. gute und böse hexen, schrieb er, hetzen
hungrige ivölfe. Er knabberte am Stift und fügte dann hinzu: scheiße, ich würde jetzt echt verdammt gern eine rauchen .
v posiert unter posern
Für die Culture of Humanity by Jedediah Angel-Modenschau im Highway 1 in
Chelsea hatte Vanessa sogar mit ihrer Tradition gebrochen, ausschließlich
Schwarz anzuziehen, und hatte sich Rubys tief ausgeschnittenes rotes T-Shirt
mit den Dreiviertelärmeln geliehen. Dasselbe Top hatte sie schon einmal
angehabt und damals viele Komplimente geerntet, wahrscheinlich weil der tiefe
Ausschnitt ihr weiches, weißes Dekolletee enthüllte und einen Hauch ihres
schwarzen Spitzen-BHs erahnen ließ. Vanessa war zu spät gekommen, weil ihre
Schwester sie überredet hatte, ein Taxi zu nehmen, das natürlich prompt in der
Nähe vom Union Square im Schneechaos stecken geblieben war. Während aus den
Boxen Lite FM dröhnte und der Fahrer noch brüllend über Handy mit dem
Abschleppunternehmen verhandelte, hatte Vanessa das gesunkene Schiff verlassen.
Als sie endlich vor dem Club ankam, waren ihre Ohren steif gefroren, und sie
sah aus wie ein wandelnder Schneeball. Die Show hatte natürlich schon
angefangen, und sie rechnete fest damit, an der Garageneinfahrt abgewiesen zu
werden, die als Clubeingang diente. Aber als sie der Türsteherin ihren Namen
nannte, wurde sogar eigens ein Security-Typ mit Taschenlampe dazu abgestellt,
sie zu ihrem Platz in der Mitte der ersten Reihe zu geleiten! An der Rückenlehne ihres Stuhls klebte
ein Zettel, auf dem mit schwarzem Marker Christina Ricci durchgestrichen
und durch Vanessa Abrams ersetzt worden war.
Vanessa hatte sich noch nie in ihrem Leben so wichtig gefühlt.
Der dunkle
Raum wurde nur durch die brennenden, dreißig Zentimeter hohen weißen Kerzen
erleuchtet, die den Laufsteg säumten. Models in marineblauen kurzen Matrosenkleidchen
mit weißen Kordeln und Messingknöpfen am Revers hielten sich Nebelhörner an die
Lippen, während das Tosen eines Orkans auf See über die Anlage in den Saal gepumpt
wurde. Ein einziger Scheinwerfer strahlte die weiße Wand hinter der Bühne an,
über die der New-York-Film flimmerte, mit dem sich Vanessa an der NYU beworben
hatte. Ihr Schwarzweißfilm wirkte im Zusammenspiel mit dem Matrosenlook der
Models wie eine kunstvolle Vierzigerjahre-Produktion. Und obwohl Vanessa den
Eindruck hatte, dass das Publikum dieses Mode-auf-hoher-See-Spektakel viel zu
ernst nahm, fand sie es doch ziemlich cool, ihr Werk da oben im Rampenlicht zu
sehen.
Die
hauchdünne Frau neben ihr klappte ihren PalmPilot auf und tippte mit spitzem
rotem Fingernagel »Bühnenbild - ganz groß!« ein. Sie hatte einen kurzen braunen Bob
mit dickem bronzefarbig gesträhntem Pony und an ihrem kamelbraunen
Kaschmirpulli steckte ein Namensschild mit dem Zusatz Vogue. Sie schrieb weiter: »Nicht vergessen: Jed fragen,
woher der Film stammt.«
Vanessa
überlegte kurz, ihre Nachbarin sanft anzustupsen und zu sagen: »Der ist von
mir«, hielt es dann aber für lustiger, ruhig abzuwarten. Vielleicht kam es ja
noch zu einem Riesenaufstand, weil irgendjemand den Film skandalös fand, und
dann würde sie als die berüchtigte Filmemacherin bekannt werden, deren
schonungslos ehrliches New-York-Por- trät die Stimmung auf der Fashion Week
verhagelt hatte. Sie fragte sich, was Dan wohl gerade auf der Better than Naked- Show machte. Sie stellte sich vor, wie er
dieses neue heiße brasilianische Supermodel - Anike oder wie sie hieß - nach
Feuer fragte, ohne zu wissen, wen er vor sich hatte. Das war es, was Vanessa an
Dan am meisten liebte - seine göttliche Unschuld.
Jetzt kam
die Filmszene im Washington Square Park mit den zwei alten Schachspielern, die
identische rot-schwarz karierte Holzfällerjacken und schwarze Wollmützen trugen.
Dem einen sank der Kopf immer tiefer auf die Brust, und an seiner hängenden
Unterlippe klebte gefährlich eine glimmende Zigarre, während er langsam
eindöste. Mit einem Fingerschnippen versicherte sich der andere, dass sein Gegner
wirklich schlief, stellte dann
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