Laubmann 2 - Bärenzwinger
unter anderem an der damaligen Gesamthochschule in Bamberg katholische Theologie studiert und am moraltheologischen Lehrstuhl promoviert hatte. Bald darauf hatte er die Konfession gewechselt, und das nicht nur aus purer Glaubensüberzeugung, sondern auch der Karriere wegen. Ein nüchterner, in sich gekehrter Beobachter von ruhigem Wesen und mittlerer Statur. Seine dunkelblonden kräftigen Haare standen um einen Mittelscheitel herum ein bißchen nach oben und fielen eher wirr zur Seite und auf die Stirn. Seine Stimme hatte einen warmen, sonoren Klang. Böhmer lebte allein.
Dr. Heribert Bach war überzeugter Laien-Theologe und als Professor für Pädagogik in der Stadt Regensburg zu Hause. Seine Lehrbücher liefen gut. In zweiter Ehe war er mit einer nicht unvermögenden Frau verheiratet, hatte zwei erwachsene Töchter aus der ersten Verbindung sowie eine erwachsene Stieftochter aus der zweiten. Sein Steckenpferd war die Belletristik, besonders die Kriminalliteratur, denn die Frage nach dem Wahren und Edlen tat sich nicht bloß in der Pädagogik auf. Beim Rauchen und Trinken allerdings fehlte ihm oft die nötige Zurückhaltung.
Der dunkelhaarige Heribert Bach neigte wie der Hamburger Philosophieprofessor Dr. Dr. Helmuth Grunde, der als letzter am Ausgang erschien, zur Dicklichkeit, was sie mit Philipp Laubmann gemeinsam hatten, nur daß Bach und Laubmann bei weitem nicht so stämmig wie Grunde waren. Der Professor für Philosophie war sehr auf seine Karriere bedacht. Sein gut geschnittener Anzug, den er sogar bei der Burgführung trug, paßte zu seinem weißen Haar und den weißen Augenbrauen. Gelegentlich machten ihm Magenprobleme zu schaffen, was vor allem seine Frau beunruhigte. Auf der Babenburg trat er mit der «Wahrheit bei Nietzsche» an.
Allein Dr. Laubmann und sein Chef, Professor Raimund Hanauer, der allerdings durch andere Verpflichtungen verhindert war und erst im Laufe des Montags zur Tagung stoßen wollte, waren in diesem Kreis erlauchter Wissenschaftler die Vertreter der Bamberger Theologischen Fakultät. Laubmann kannte die meisten Teilnehmer nur dem Namen nach, hatte vielleicht das eine oder andere ihrer Werke auf seinen geliebten Karteikarten in den Formaten A5 und A6 notiert. Die Mehrzahl der Teilnehmer hingegen kannte nicht einmal den Namen des Moraltheologen. Das sollte sich jedoch ändern, nahm er sich vor.
«Meine Damen und Herren, wie angekündigt befinden wir uns in einer kleinen Senke unterhalb der Burg, genauer: auf deren Südseite!» rief der Kastellan Hans Merten aus. Er ging ganz in seiner belehrenden Rolle als Gästeführer auf, wollte die Gruppe um sich scharen. Das war jedoch gar nicht erforderlich, weil die nur einige Meter breite Senke die Anwesenden ohnehin dazu zwang, dichtgedrängt zu stehen.
«Der ehemalige Quellschacht, durch den wir eben gekommen sind, wurde bereits im späten Mittelalter als Fluchtgang ausgebaut. Man hat also geschickt die natürlichen Gegebenheiten ausgenutzt und eine Verbindung zwischen dem Burgkeller unter dem Palas und dem Wald hergestellt. Deshalb ist der Gang auch feucht, obwohl schon zur Bauzeit der Grundwasserspiegel gesunken war. Bereits die Fürstbischöfe, denen die Burg damals gehörte, konnten den alten Brunnenschacht unter dem Hauptgebäude nicht mehr verwenden und mußten einen neuen graben lassen, und zwar im Burghof, um zugleich eine Pferdetränke anschließen zu können. Beides haben Sie oben gesehen.»
Merten hatte während der ausgedehnten Führung mehr als genug erzählt. Allen fröstelte. Sie zogen ihre Schals enger und ihre mitgebrachten Mäntel über, der eine oder andere schaltete die Taschenlampe unruhig aus und ein, als wollte er dagegen protestieren, in der Kälte ausharren zu müssen. Manche traten von einem Fuß auf den anderen, um sich zu wärmen.
Philipp Laubmann und Friedemann Böhmer, die nebeneinander standen, hatten Wolljacken dabei und halfen sich nun gegenseitig hinein, da im Keller die Temperatur etwas höher gewesen war. Böhmer trug eine schwarze, teure Designerjacke mit Reißverschluß, die aus feinstrukturierter edler Wolle gefertigt war, Laubmann eine abgetragene mattgrüne Wolljacke mit übergroßen Knöpfen vorne und mit Lederflicken an den Ellbogen. Beide aber hatten sehr ähnliche braune Lederhandschuhe in ihren Jackentaschen, die sie ebenfalls anzogen.
Philipp hätte ja gerne der Professorin Barbara Burgerroth in ihre gefütterte Regenjacke geholfen, doch da war Heinrich Ippendorff schneller. Im Vergleich
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