Lauf, so schnell du kannst
übermäßig erfolgreich war. Er würde sich durchwurschteln, weil niemand von ihm Notiz nahm, und das definierte gewiss mehr oder weniger sein Leben.
Sein Kunde, Mitchell Davis, war beinahe Krugmans genaues Gegenteil. Angie lächelte sie beide an, als sie die Stufen hinunterging, um sie zu begrüßen. Krugman lächelte zögernd zurück, aber Davis bedachte sie nur mit einem abweisenden Blick, als hätte er Wichtigeres zu tun, als höflich zu sein.
»Ms Powell, wie schön, Sie wiederzusehen«, sagte Krugman, und als Angie die Hand ausstreckte, beeilte er sich, sie mit etwas feuchten Fingern zu ergreifen.
»Ganz meinerseits«, antwortete Angie unbefangen. »Und nennen Sie mich bitte Angie.«
»Natürlich. Ich bin Chad.« Er wirkte erfreut, dann wurde dieser Ausdruck aber von einem ängstlichen verdrängt, als er sagte: »Mr Davis, das ist unsere Führerin, Angie Powell. Angie, Mitchell Davis.«
Davis nickte nur mit dem Kopf, während er sich umschaute, und musterte mit leicht gekräuselter Oberlippe und scharfem Blick ihren betagten Truck und den Pferdehänger, der schon bessere Tage gesehen hatte. Sie bemühte sich um ein ausdrucksloses Gesicht. Ihr Truck und ihre Ausrüstung mochten zwar nicht gerade brandneu sein, aber sie waren in einem guten Zustand und taten ihren Dienst. »Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte sie und blieb höflich, selbst wenn er sich nicht die Mühe machte, das Gleiche zu tun.
Davis war alles, was Krugman nicht war. Er war größer, schlanker, sein dunkles Haar an den Schläfen war leicht ergraut. Seine Züge wirkten hart und wie gemeißelt, seine Augen von einem klaren Grau. Seine Bewegungen waren energisch, autoritär. Die Kleider passten ihm, als hätte er sie maßschneidern lassen.
Angie konnte ihn auf den ersten Blick nicht ausstehen.
Sie wusste jetzt schon, dass es eine lange, lange Woche werden würde. Mit ein bisschen Glück würde Davis seinen Bären gleich zu Beginn der Tour erlegen, und keiner von ihnen würde die Notwendigkeit sehen, für den Rest der Woche dort herumzugammeln und nichts zu tun. Wenn nicht, nun, dann würde sie eben den Mund halten, ein Lächeln aufsetzen und es so gut durchstehen, wie es eben ging. Wie jeder, der mit Menschen arbeitete, hatte sie schon früher Kunden gehabt, die sie nicht gemocht hatte, und sie waren bestimmt nach Hause gefahren, ohne etwas davon zu ahnen. Mit Davis würde es nicht anders sein. Vielleicht.
»Ich zeige Ihnen jetzt Ihre Hütten«, sagte sie, nachdem die Männer ihre Taschen aus dem Kofferraum des gemieteten SUV geholt hatten. Krugman kannte natürlich den Weg, aber sie führte sie trotzdem den Pfad hinunter, über den man zu den Gelbkiefern hinterm Haus gelangte. Die Hütten waren zwischen den Bäumen verborgen, vom Haus aus teilweise sichtbar, aber so positioniert, dass sowohl sie als auch ihre Kunden ein Gefühl von Privatsphäre hatten. Sie hatte innen bereits Licht gemacht und die Heizung aufgedreht. Jede Hütte verfügte außerdem über einen funktionierenden Kamin, falls jemand die Stimmung eines echten Feuers wünschte, aber die gemeinsame Heizeinheit war effizienter und machte weniger Arbeit. Die meisten Leute machten sich gar nicht erst die Mühe mit einem Feuer.
»Ich habe die Kisten mit den Gewehren in Ihre Hütten gestellt«, erklärte sie. »Chad, die erste Hütte ist Ihre.« Sie schloss die Tür auf und überreichte ihm den Schlüssel. »Mr Davis, das ist Ihre.«
»Ja, toll«, antwortete er, als er ihr den Schlüssel abnahm. Sein Tonfall machte klar, dass ihn auch die Unterbringung nicht gerade beeindruckte. Sie unterdrückte ihren Ärger. Sie
würde
höflich zu ihm sein.
»Dann lasse ich Sie jetzt mal auspacken«, sagte sie zu den Männern. »Falls einer von Ihnen einen Laptop mitgebracht hat und online gehen möchte, Internetzugang ist im Haus vorhanden. Es gibt auch ein Fernsehzimmer, falls Sie sich heute Abend etwas anschauen wollen. Das Abendessen wird um sieben Uhr serviert. Es ist nichts Besonderes, nur Eintopf und Brötchen. Wir sehen uns dann, Sie können auch gerne früher kommen, um fernzusehen oder sich zu unterhalten.«
»Klingt wunderbar«, meinte Chad mit einem nervösen Lächeln. Davis’ harte, kalte Augen sagten zwar, dass er anderer Ansicht war, aber zumindest behielt er seine Meinung für sich.
Als sie zum Haus zurückging, rief sich Angie ins Gedächtnis, dass es hier nicht um sie ging, sondern mehr um die Dynamik zwischen Chad und seinem Kunden, und die war nicht gut. Er gab sich
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