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Lauf, so schnell du kannst

Lauf, so schnell du kannst

Titel: Lauf, so schnell du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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hier liegen bleiben und darauf warten, dass Krugman oder der Bär sie fanden? Zwar verfügte sie über ihr Gewehr, aber sie musste es irgendwie säubern, bevor es wieder benutzbar wurde. Allerdings sie hatte auch noch die Pistole. Mit Krugman konnte sie fertig werden, solange sie ihn kommen sah. Aber dieser Bär … ja, vor diesem riesigen Scheißvieh hatte sie auf jeden Fall mehr Angst als vor Krugman.
    Wenn sie sich nicht bewegte, würde dieser Bär sie hier finden.
    Scheißvieh!
    Plötzlich war sie sauer. Nein, sie war nicht einfach sauer, sondern stinkwütend. Auf gar keinen Fall würde sie hier liegen bleiben, sich selbst bemitleiden und darauf warten zu sterben. Es spielte keine Rolle, warum sie in diese Lage geraten war; doch wenn sie aufgab, war sie tot. Verdammt, niemand konnte Angie Powell vorwerfen, es mangele ihr an Entschlossenheit oder schierer, verdammter Sturheit. Sie würde von diesem Berg wieder runterkommen, und wenn sie
kriechen
musste.
    Sie setzte sich auf, schlang sich die Gewehrtasche wieder über den Rücken, nahm die Satteltaschen. Schlamm war ihr in den Mund gespritzt, als sie das zweite Mal gefallen war, also spuckte sie ihn aus. Dann begann sie auf Ellbogen und Knien weiterzukriechen. Sie versuchte zu vermeiden, dass ihr verletzter Knöchel irgendwo anstieß, weil es mörderisch wehtat, aber sie kroch weiter, selbst wenn sie vor Schmerz die Zähne zusammenbeißen musste.
    Sie kam voran, zwar langsam und stetig und elend, aber dennoch. Dann griff ihre rechte Hand ins Leere, und sie wäre beinahe einen steilen Abgrund hinabgestürzt, den sie nicht gesehen hatte. Keuchend schob sie sich zurück. Was sollte sie jetzt tun? Wie breit war dieser Abgrund? Befand sie sich am Rand eines Felsvorsprungs? Sie wartete auf einen Blitz, und nach einigen Sekunden der Dunkelheit wurde ihr klar, dass das Herz des Sturms weitergezogen sein musste, denn die Blitze waren nicht mehr annähernd so intensiv oder häufig wie zuvor. Sie überlegte kurz, die Taschenlampe einzuschalten, nur lange genug, um zu sehen, was sie vor sich hatte. Lohnte sich das Risiko? Im Moment war sie unsichtbar; Chad hatte keine Ahnung, wo sie sich befand. Aber die Taschenlampe konnte ihm ihre Position durchaus verraten. Andererseits saß sie fest, wenn sie nicht sehen konnte, was für ein Hindernis sie vor sich hatte.
    Bevor sie eine Entscheidung traf, beleuchtete ihr ein Blitz hilfsbereit die Landschaft. Der Abgrund vor ihr fiel steil ab – für knapp einen Meter, höchstens. Es würde hart werden, hinunterzukommen, ohne ihren rechten Fuß zu belasten, aber sie würde sich von diesem kleinen Einschnitt in der Erde gewiss nicht aufhalten lassen.
    Sie warf die Satteltaschen hinab, hörte sie unter sich in den Schlamm klatschen. Dann nahm sie die Gewehrtasche ab und ließ sie vorsichtig hinuntergleiten. Anschließend drehte sie sich auf den Bauch und rutschte so über den Rand, wobei sie mit ihrem gesunden Fuß nach dem Boden tastete und die Hände in den Morast grub, um sich Halt zu geben, bis sie festen Boden unter sich spürte. Sie stand für einen Moment unsicher balancierend da und holte tief Luft. Sie mochte sich zwar nicht schnell bewegen, aber sie kam immerhin in der richtigen Richtung weiter: nach unten.
    Der weiche Boden unter ihrem Fuß gab nach, und sie verlor den Halt. Hilflos stürzte sie hinab. Dann glitt und fiel sie durch den Schlamm, griff nach allem, was ihr in die Finger kam, und fand nur noch mehr glitschigen Schlamm und einzelne Steine. Sie versuchte, den linken Fuß in den Boden zu rammen, versuchte, die Finger in die Erde zu krallen, aber sie rutschte und rollte weiter. Da waren Felsen, und sie versuchte, sich an ihnen festzuhalten, aber sie waren so schnell vorbei, dass sie es nicht schaffte. Eine Felskante schnitt ihr die Hand auf; ihr Kopf verfehlte nur knapp eine andere.
    Und dann war der Sturz beendet, ihr Schwung vom Morast gebremst. Keuchend lag sie da und machte erneut Inventur. Nein, nichts war gebrochen. Sie fühlte sich von Kopf bis Fuß zerschunden, aber bis auf ihren Knöchel schien alles noch in Ordnung. Wie tief war sie gefallen? Der Hang war nicht übermäßig steil gewesen, aber immer noch steil genug. Ihr Gewehr und die Satteltaschen – die ihre Taschenlampe, ihre Pistole und die Proteinriegel enthielten – befanden sich da oben.
    Sie hatte die Wahl. Sie konnte nach oben kriechen, oder sie konnte nach unten kriechen. Sie konnte weitergehen oder ihre Sachen holen.
    Keine der Möglichkeiten

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