Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
Internat, bestehen musste. Und natürlich hatte sie ihm auch das große Geheimnis verschwiegen, das die Erde und Aventerra, den ältesten der alten Planeten, seit Anbeginn der Zeiten miteinander verband. Auch dass Laura erst vor ein paar Wochen, an ihrem dreizehnten Geburtstag, erfahren hatte, dass sie zu den Wächtern gehörte und deshalb für die Sache des Lichts kämpfen musste, brauchte Kevin nicht zu wissen. Jedenfalls noch nicht. Zumal er diese mysteriöse Geschichte ohnehin kaum verstehen würde – ebenso wenig wie all die anderen Menschen, die nicht hinter die Oberfläche der Dinge sehen konnten.
»Was haltet ihr von einem kleinen Wettrennen?« Kevin blickte Laura und Lukas herausfordernd an. Die schwarzen Augen hinter seiner Skibrille funkelten unternehmungslustig. Eine pechschwarze Wuschellocke stahl sich unter seiner Mütze hervor und kringelte sich auf die Stirn.
»Von mir aus.« Laura erwiderte sein fröhliches Lächeln. Eigentlich sieht Kevin gar nicht übel aus, dachte sie und wandte sich an ihren Bruder. »Machst du mit, Lukas?«
»Lust hätte ich schon – nur bin ich mir nicht sicher, ob das auch intelligent wäre.«
»Hä?« Laura blickte Kevin verwundert an, doch der zuckte nur mit den Schultern, während Lukas mit ernster Miene zu einem seiner gefürchteten Vorträge anhob: »Wie allgemein bekannt sein sollte, entstehen gemäß den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen die meisten Unfälle beim Wintersport dadurch, dass man sich überschätzt und sich viel zu viel zumutet. Gerade in Wettkampfsituationen sind die Menschen am ehesten bereit, über die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit hinauszugehen. Was wiederum bedeutet, dass dabei das Verletzungspotenzial überproportional hoch ist! Aus diesem Grunde erscheint es mir als wenig intelligent, sich freiwillig einer solchen Gefahr auszusetzen. Ist doch logosibel, nicht wahr?«
Während Laura, gewöhnt an die Marotten ihres neunmalklugen Bruders, nur genervt die Augen verdrehte, blickte Kevin Lukas verständnislos an. »Logo-was?«
Lukas grinste nur, sodass Laura sich genötigt sah, den Freund aufzuklären. »Logosibel! Womit Lukas meint, seine Ausführungen wären überaus logisch und damit natürlich auch über die Maßen plausibel.« Ihre Ungeduld mühsam unterdrückend, wandte sie sich an den Bruder. »Würdest du uns freundlicherweise verraten, was du mit diesen nüchternen Worten sagen wollest, Mr. Superhirn? Heißt das jetzt, du machst mit – oder nicht?«
»Ich dachte, ich hätte mich klar und deutlich ausgedrückt. Natürlich mach ich mit, du Spar-Kiu – versuch mich doch zu kriegen, wenn du kannst!« Noch im gleichen Augenblick stieß er sich mit kräftigen Stockschüben ab und sauste dem Tal entgegen. Noch ehe Laura und Kevin reagieren konnten, hatte er bereits einen beträchtlichen Vorsprung gewonnen.
»Na warte!«, zischte Laura und setzte ihrerseits die Stöcke ein. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Kevin es ihr gleichtat. Den Mann, der sich im selben Moment aus dem Schatten der Liftstation löste, bemerkte sie allerdings nicht. Er schien nur darauf gewartet zu haben, dass sie endlich losfuhren, und setzte sich auf ihre Spur.
Die Piste führte zunächst schnurgerade und steil bergab, sodass Laura schon nach kurzer Zeit mächtig an Geschwindigkeit gewonnen hatte. Der Fahrtwind pfiff ihr ins Gesicht und knetete ihr kräftig die Wangen. Die Carving-Skier an ihren Füßen bretterten unruhig über den hart gewalzten Schnee. Die vereiste Piste war wellig, sodass die Skier schwer zu kontrollieren waren. Laura blickte nach vorn, wo Lukas in einiger Entfernung in eine scharfe Rechtskurve einbog und hinter einem Felsvorsprung verschwand. Das Mädchen ging tiefer in die Hocke und verlagerte das Gewicht nach hinten. Laura wurde schneller, aber die Skier begannen zu flattern. Die Kurve kam rasend schnell auf sie zugeflogen. Laura verlagerte erneut das Gewicht, um die Biegung so weit innen wie möglich zu nehmen – jeder eingesparte Meter konnte entscheidend sein, wenn sie Lukas einholen wollte. Und das wollte sie unbedingt, schließlich musste sie ihm eine Lektion erteilen. Sie musste ihm beweisen, dass selbst fiese Tricks nicht zum Erfolg führten. Und außerdem wäre es peinlich, gegen den jüngeren Bruder zu verlieren. Aber Lukas war ebenfalls ein guter Skiläufer. Auch wenn er eher schmächtig war und außer einem gelegentlichen Tennisspiel keinerlei Sport betrieb, war er auf der Piste nicht zu unterschätzen.
In der engen Kurve
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