Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
möglich?
Staunend trat Laura durch die Tür und schaute sich um. Percy löschte die Kerze und folgte ihr. Als das Mädchen die Augen zur Decke richtete, die sich wie ein riesiger Baldachin über den Saal spannte, bemerkte es zu seiner Verwunderung, dass das gesamte Gewölbe mit einem prächtigen Sternenhimmel überzogen war. Eine solch originalgetreue Abbildung des nächtlichen Himmels hatte Laura noch nie gesehen. Zudem hatte es den Anschein, als leuchteten unablässig neue Sterne daran auf, gerade so, als gingen sie erst in diesem Moment am Firmament auf. Aber das ist unmöglich, dachte Laura.
I ch muss mich täuschen!
Da erregte eine weitere Besonderheit ihre Aufmerksamkeit: An diesem funkelnden Himmel waren gleich zwei Monde aufgezogen. Im Osten stand der gleiche bleiche Erdtrabant, wie Laura ihn bei ihrer Ankunft am Kloster über den Bergen am Horizont erblickt hatte. Nicht weit davon entfernt aber leuchtete unverkennbar ein strahlend blaues Gestirn vom Deckengewölbe – die Erde!
»Fantastiisch!« Mit atemlosem Staunen kommentierte Percy den wundersamen Anblick. »Das ist fürwa’r und über alle Maßen fantastiisch!«
»Du hast Recht. Und was noch viel fantastischer ist: Es sieht fast so aus, als würden diese Gestirne den Raum beleuchten! Aber das ist natürlich völlig abwegig – nicht wahr?«
Der Lehrer wandte den Blick von der Decke ab und schaute seine Schülerin nahezu grimmig an. »Ach, Laura!« Er seufzte enttäuscht und schüttelte müde den Kopf. »Iisch ‘atte geglaubt, dass du die riischtigen Le’ren aus den Ereignissen des letzten Ja’res gezogen ‘ast. Aber so, wie es aussie’t, ‘abe iisch miisch leider getäuscht. Wann endliisch wirst du verste’en, dass es auf unserer Welt Dinge gibt, die jenseits der Grenzen des menschliischen Verstandes liegen und des’alb mit i’m allein niischt zu fassen sind, hein?«
Schamesröte färbte Lauras Wangen. »Tut mir Leid, Percy«, murmelte sie kaum hörbar. »Aber das ist alles noch so neu für mich – und außerdem nur schwer zu begreifen.«
Staunend wanderte sie durch die Regalreihen, die Augen unverwandt nach oben gerichtet, damit ihr auch nicht das Geringste entging. Da erblickte sie eine Sternenformation, die ihr völlig unbekannt war. Sie bestand aus sieben Sternen, und einer von ihnen funkelte heller als der andere!
»Sieh doch!« Mit der Rechten deutete sie auf die seltsamen Himmelskörper. »Wunderschön, nicht? Weißt du, wie das Sternbild heißt?«
»Tut mir Leid, Laura, aber dieses Sternzeischen ‘ab iisch noch niemals gese’en. Obwohl – misch dünkt, es weist eine gewisse Ä’nliischkeit mit den Plejaden auf, die auch Siebengestirn genannt werden.«
»Siebengestirn?« Laura wunderte sich. »Nie gehört.« Sie bewegte sich in Richtung des Sternzeichens, als sie über einen großen Gegenstand stolperte, der vor einem der Bücherregale lag. Sie verlor das Gleichgewicht und musste sich an einer Strebe festhalten, um nicht der Länge nach hinzuschlagen. Erstaunt blickte sie zu Boden – und schrie vor Entsetzen auf. Auf den Steinfliesen vor ihr lag eine leblose menschliche Gestalt: Pater Dominikus. Seine blinden Augen waren weit aufgerissen, sein Mund zu einem stummen Schrei geformt. In seiner Brust steckte ein Messer. Blut sickerte aus der Wunde und tropfte in die dunkelrote Lache, die sich unter seinem Oberkörper gebildet hatte.
N ur mit Mühe hielt Alienor sich im Sattel des Steppenponys, das mit schweren Schritten den abschüssigen Weg hinuntertrottete. Ihr zarter Mädchenkörper schwankte sachte hin und her. Sie war erschöpft, und schrecklicher Hunger quälte sie. Der Proviant, den sie aus Hellunyat mitgenommen hatte, war längst aufgebraucht. Schließlich war sie bereits länger als eine Woche unterwegs. Die Wunschgaukler hatte sie allerdings immer noch nicht gefunden. Weder im Hochland von Karuun, wo sie mit ihrer Suche begonnen hatte, noch an den Ufern des Sees der Erinnerung. In einem kleinen Fischerdorf am Rande des riesigen Gewässers hatte sie allerdings erfahren, dass die Gesuchten sich im Land der Flussleute aufhielten, und sich umgehend dorthin gewandt.
Seither ernährte sie sich von den Früchten der Felder und des Waldes. Die kargen Rationen hatten ihr zunächst nichts ausgemacht. Die Sehnsucht nach ihrem Bruder hatte sie klaglos weiterreiten lassen. Allmählich aber verlangte es sie nach einer ordentlichen Mahlzeit. Alleine der Gedanke daran ließ ihren Magen knurren.
Mit einem Male blieb das
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