Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
Pony stehen, schnaubte und bewegte den Kopf heftig auf und ab.
»Was ist denn los, Brauner? Was hast du denn?«
Das Steppenpony wieherte unruhig. Alienor sah sich um. In der weiten Tiefebene, die sich vor ihr bis zum Horizont erstreckte, glänzten die schlangenförmigen Schleifen zahlloser Flüsse im Licht der beiden Monde, die am Nachthimmel von Aventerra standen – sie hatte das Land der Flussleute fast erreicht, auch wenn es sicherlich noch Stunden dauern mochte, bis sie zur ersten Siedlung gelangte. Vielleicht hatte sie ja endlich Glück und traf dort auf die Wunschgaukler? Alienor hatte sich ihren Plan sorgfältig zurechtgelegt: Sie würde sich den farbenprächtigen Verführern anschließen und vorgeben, an ihre falschen Versprechen zu glauben. Warum sollten die Männer aus Deshiristan auch Verdacht schöpfen? Schließlich konnte ihnen doch egal sein, aus welchem Grunde ihnen jemand folgte. Hauptsache, sie konnten Borboron mit weiteren willigen Helfern beliefern. Auf die Idee, dass sie sich freiwillig in ihre Gewalt begab, weil sie in der Dunklen Festung nach ihrem Bruder suchen wollte, würden die sicher nie verfallen.
Das Wiehern des Braunen riss sie aus den Gedanken. »Ist ja gut«, versuchte sie das Pony zu beruhigen. »Ich glaube, ich weiß, was du willst: Du hast auch keine Lust mehr weiterzureiten, nicht wahr? Bist auch müde und hast Hunger genau wie ich.«
Das Mädchen schaute sich nach einer Lagerstätte um. Ganz in der Nähe befand sich eine kleine Senke, die mit wolligem Riedgras bewachsen war. An ihrem Rand standen Sträucher, und wenn Alienor nicht alles täuschte, war von dort sogar das Murmeln einer Quelle zu hören – ein Lagerplatz, wie sie ihn sich besser gar nicht wünschen konnte!
Der Braune legte die letzten Schritte eher widerwillig zurück. Er schien tatsächlich am Ende seiner Kräfte zu sein. Neben der Quelle stieg Alienor ab, befreite das Pony von Sattel und Zaumzeug. »Guten Appetit«, sagte sie lächelnd und tätschelte dem treuen Reittier den Hals. »Das Gras sieht recht saftig aus. Es wird dir bestimmt schmecken!«
Der Braune schnaubte und rührte sich nicht von der Stelle. Seltsam, dachte das Mädchen. Ob er selbst zum Fressen zu müde ist?
Nachdenklich band sie ihre Decke vom Sattel los. Als sie damit auf die Büsche zuging, um sie unter ihnen auszubreiten, schlug ihr mit jedem Schritt eine immer stärker werdende Hitze entgegen. Sie schien direkt aus dem Gesträuch zu kommen. Überrascht musterte Alienor das Buschwerk. War es möglich, dass es sich um Feuersträucher handelte? Sie hatte von diesen seltsamen Pflanzen, deren Heimat die gefürchteten Feuerwälder waren, schon häufig gehört, sie aber noch nie zu Gesicht bekommen. Sie sahen aus wie ganz gewöhnliche Sträucher, die Blätter waren grün und saftig und besaßen die Form kleiner Flammen.
Das fügt sich gut, dachte Alienor erleichtert, dann brauch ich wenigstens kein Feuer zu entfachen. Was ohnehin nicht möglich gewesen wäre, denn der Zunder, den sie mitgenommen hatte, war unbrauchbar. Als sie sich am Vortag voller Gier über einen Bach gebeugt hatte, um daraus zu trinken, war er hineingefallen und nass geworden.
Das Mädchen breitete die Decke aus, kniete sich nieder und strich sie glatt. Die wohlige Wärme tat gut – und machte gleichzeitig schläfrig. Schon wollte Alienor sich auf dem Lager ausstrecken, als sie ein Fauchen hörte. Erschrocken drehte sie sich um – und erstarrte: Sie war von gelben Giftschleichern umringt! Die mehr als katzengroßen Tiere mit den hässlichen Drachenköpfen und den Skorpionschwänzen hatten sich lautlos angeschlichen.
Alienor fühlte, dass sie trotz der Hitze plötzlich zu frieren begann. Mit einem Giftschleicher hätte sie es sicherlich aufnehmen können – aber doch nicht mit einem halben Dutzend! Und dummerweise hing der Dolch, den sie als einzige Waffe mit auf die Reise genommen hatte, am Knopf des Sattels, der gut zehn Schritte von ihr entfernt im Gras lag.
Die heimtückischen Tiere kamen näher. Richteten die stachelbewehrten Schwänze mit dem tödlichen Gift auf. Doch nicht nur diese Schwänze waren gefährlich, sondern auch die gespaltenen Zungen, die sie ellenweit aus ihren mit scharfen Zähnen bewehrten Mäulern schnellen lassen konnten. An ihnen saßen kleine Widerhaken, die ein Sekret enthielten, mit dem die Schleicher ihre Opfer lähmten, bevor sie ihnen den tödlichen Stich versetzten.
Alienor war auch so bereits regungslos. Wie versteinert starrte sie
Weitere Kostenlose Bücher