Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
Für und Wider sorgsam gegeneinander ab. Seine Schülerin musterte ihn mit banger Erwartung, und es hatte den Anschein, als rechne sie damit, dass der blonde Wächter ihr den Plan ausreden würde. Doch nichts dergleichen geschah.
»Wo’l denn«, sagte Percy vielmehr nach einer Weile. »So lass uns niischt länger säumen und wo’lgemut zur Tat schreiten.«
»Klasse!« Laura strahlte über das ganze Gesicht. »Ich hatte so gehofft, dass du mitmachst.«
»Natürliisch! Die Argumente, die du für dein Vor’aben in die Waagschale geworfen ‘ast, klingen überaus vernünftiisch! Gleischwo’l müssen wir natürliisch allergrößte Vorsiischt walten lassen.«
Aus diesem Grund, erklärte Percy dem Mädchen, erachte er es für das Gelingen des Unternehmens als unbedingt notwendig, sich in zeitgenössische Gewänder zu kleiden. »Nur auf diese Weise können wir verändern, dass wir dursch unser Ausse’en Aufmerksamkeit erregen und schon alleine dadursch entdeckt werden. Welsches Schicksal uns dann bevorste’t, kannst du dir wo’l denken, Laura.«
U nd ob L aura sich das denken konnte!
Percys Überlegungen leuchteten ihr voll und ganz ein. »Dann geben wir uns wohl am besten als Ritter und Knappe aus?«
Der Sportlehrer jedoch hob abwehrend die Hände. »Niischts wäre leischtfertiger als das, M ademoiselle! Bedenke doch: Reimar von Ravenstein war ein weit gereister Mann und dürfte alle wiischtigen Vertreter seines Standes gekannt ‘aben. Jeder unbekannte Ritter, der i’m auf seiner Burg die Aufwartung macht, würde des’alb umge’end sein Misstrauen wecken, was angesischts der Unbereschenbarkeit dieses sauberen ‘erren wo’l ebenfalls tödliische Folgen für uns ‘ätte!«
O h, M ann! P ercy hatte Recht. Warum hatte sie das nur nicht bedacht? Wie gut, dass sie auf einen Helfer zählen konnte, der alle Eventualitäten in Betracht zog!
»Okay – was schlägst du also vor?«
»Das Klügste wäre wo’l, wenn iisch miisch als fa’render Spielmann ausgebe. Deren sind damals me’r als genug dursch die Lande gereist, um die ‘errschaften auf den Burgen oder Schlössern mit i’rer Kunst zu erfreuen. Sie waren so za’lreisch und kamen zudem ‘äufiisch aus fernen Landen, dass es völliisch unmögliisch war, sie alle zu kennen. Aus diesem Grunde wird vermutliisch selbst Reimar von Ravenstein keinen Argwo’n schöpfen, wenn wir auf seiner Burg vorstelliisch werden.«
Clevere Idee, dachte Laura und nickte zustimmend. »Klingt gut. Dann werde ich mich also als deine Gehilfin ausgeben?«
Wieder hob Percy missbilligend die Augenbrauen und schaute das Mädchen tadelnd an. »Du unterliegst zum wieder’olten Male einem Irrtum, werte Laura. Du wirst mir nicht als G e’ilfin, sondern als G e’ilfe dienen müssen. Zu jenen finsteren Zeiten sind Mädschen deines Alters niemals in Begleitung von Männern unterwegs gewesen – es sei denn, es ‘andelte siisch um i’ren Vater. Ansonsten schickte siisch das einfach niischt und war nachgerade undenkbar. Du wirst diisch also als Junge verkleiden müssen, wenn unsere C amouflage niischt schon nach kürzester Zeit entdeckt werden soll!« A ls J unge?
Das wäre Laura nicht einmal im Fasching eingefallen. Sie war beinahe sicher, dass sie diese ungewohnte Rolle auch nicht überzeugend spielen konnte – dabei hing ihr beider Leben genau davon ab! Aber wie auch immer – es blieb ihr einfach keine andere Wahl, als in Jungenkleidung zu schlüpfen. Angesichts dieser Tatsache erschien es Laura zum ersten Mal als ein ausgesprochener Glücksfall, dass ihr Körper noch sehr mädchenhaft war, während einige ihrer Klassenkameradinnen, zum Beispiel Franziska Turini oder Caro Thiele, bereits deutlich weibliche Formen erkennen ließen. Im entsprechenden Outfit würde sie also problemlos als Junge durchgehen – vorausgesetzt, sie konnten ein stilechtes mittelalterliches Knabengewand auftreiben.
Percy als fahrenden Sänger zu verkleiden stellte kein Problem dar. In seiner Begeisterung für das Mittelalter hatte der Lehrer in den letzten Jahren eine Unzahl zeitgenössischer Gewänder zusammengetragen, sodass er alsbald im originalgetreuen Spielmannskostüm vor Laura stand. Er trug ein weites, mit farbenprächtigen Borten besetztes Gewand aus feinem Tuch, das ihm fast bis zu den Knien reichte. Darunter eng anliegende Beinkleider aus schwarzem Samt. Auf seinem Kopf saß eine Kappe, ebenfalls aus schwarzem Samt, an der eine bunte Fasanenfeder steckte. Als Percy dann auch noch seine
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