Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
mich; Strom der Zeit, verschlinge mich!«
Laura fühlte, wie sich die Kräfte, die ihr das Schicksal verliehen hatte, in ihrem Inneren zu regen begannen. Alles war genauso wie beim ersten Mal. Marys Stimme verhallte in weiter Ferne, ein sanftes Prickeln lief durch Lauras Körper, und dann sah sie das Licht. Ein Brausen erfüllte ihre Ohren, während ein gleißendes Strahlen um sie herumwirbelte wie ein mächtiger Sturm, der keinerlei Widerstand duldet, und alles Zaudern hinwegfegte mit unbändiger Kraft. Laura fühlte sich wie eine Feder im Wirbel der Zeiten, ihr wurde zugleich glühend heiß und eisig kalt, bis das Licht verblasste und ein wärmender Windhauch über ihre Wangen strich. Sie hörte das Rascheln von Blättern und das fröhliche Gezwitscher von Vögeln und wusste, dass die Traumreise sie an einen anderen Ort und in eine andere Zeit versetzt hatte. Laura schlug die Augen auf- und sah zu ihrem Entsetzen, dass Percy Valiant nicht bei ihr war. Nicht die geringste Spur von dem Lehrer war zu entdecken. Sie war ganz allein und ohne jede Begleitung in der Welt des Grausamen Ritters angelangt!
K apitel 14 Die Burg
des Grausamen
Ritters
as Luftfloß glitt mit geblähtem Segel im Wind dahin. Es hatte das Land der Flussleute hinter sich gelassen und flog nun über die nördlichen Ausläufer des Steinernen Forstes. Alienor jedoch hatte kein Auge für die bizarre Schönheit der Landschaft und merkte nicht, dass ihr Reiseziel immer näher kam. Fassungslos starrte sie den Levator an. »Wie konntest du dich nur auf einen solchen Handel einlassen? Damit spielst du dem Schwarzen Fürsten doch in die Hände!«
Aeolon zuckte gleichgültig mit den Schultern und griff zu der Flasche mit rotem Wein, die vor ihm auf dem Tischchen stand. »Weiß gar nicht, was du hast, mein Mädchen. Kann man so sehen oder auch nicht. Bin bislang ganz gut damit gefahren. Liefere ihm alle drei Monde ein Säckchen mit Königsfrüchten als Tribut, nicht mehr und nicht weniger, und dafür lässt er mich in Ruhe.«
»Aber du weißt doch ganz genau, was Borboron vorhat. Er will Elysion vernichten und bekämpft uns Krieger des Lichts deshalb ohne Unterlass.«
»Was hab ich damit zu tun?« Der Levator goss sich ein und schaute das Mädchen unschuldig an. »Was kümmern mich eure Händel? Halt mich jedenfalls aus allem raus und tue keinem etwas.«
Alienor schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre Zöpfe flogen. »Aber verstehst du denn nicht, Aeolon? Wenn Borboron den Sieg erringt, dann ist es auch um dich geschehen. Aventerra und der Menschenstern werden vernichtet werden, und auch du wirst in die Ewige Dunkelheit eingehen.«
Der Luftnomade verzog das Gesicht. »Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Und was sollte ich schon dagegen ausrichten können? Sieh mich doch an, mein Mädchen – bin schwach und noch dazu ganz allein.«
»Ich bin auch nicht stärker als du!« Alienor erhob empört die Stimme. »Beim Kampf gegen die Dunklen Mächte kommt es doch auf jeden Einzelnen an, auch auf dich! Jeder, der sich der Sache des Lichts verweigert, unterstützt damit die Kräfte der Finsternis. Wer nicht an Elysions Seite steht, ist gegen ihn – und deshalb musst du dich endlich entscheiden, Aeolon. Du kannst nicht so tun, als ob dich dieser Streit nichts anginge, nur weil du auf deinem Luftfloß weit über allem schwebst, was auf Aventerra geschieht. Es betrifft auch dich, und auf die Dauer kannst du dich ohnehin nicht davon freikaufen, glaub mir!«
Aeolon wiegte bedächtig den Kopf. »Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Ist alles gut gegangen bis jetzt. Warum nicht auch weiterhin?«
»Weil dem Schwarzen Fürsten nicht zu trauen ist«, ereiferte sich Alienor. Das Mädchen erhob sich und begann auf dem Luftfloß auf und ab zu wandern. »Das hast du vorhin doch selbst erlebt. Wenn Pfeilschwinge nicht aufgetaucht wäre, hätte die Harpyie uns zerrissen.«
»Mag sein, mag auch nicht sein.« Aeolon griff zum Glas und nahm einen kräftigen Schluck Wein. »Und was kann der Schwarze Fürst schon dafür, wie die Gestaltwandlerin sich aufführt?«
»Glaubst du, Syrin hätte gewagt, uns anzugreifen, wenn sie nicht genau wüsste, dass ihr Herr das billigt?« Entrüstet stemmte Alienor die Fäuste in die Seiten. »Niemals!«
Der Levator stellte das Glas ab und blickte sie nachdenklich an. »Vielleicht, vielleicht auch nicht«, murmelte er leise vor sich hin. Es war ihm anzusehen, dass ihm Zweifel gekommen waren.
Mit einem Male frischte der Wind auf.
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