Laura Leander 06 - Laura und das Labyrinth des Lichts
Mann, und seine wachsende Unruhe blieb ihr nicht verborgen. Sie ergriff seine Hand und blickte ihn an. »Keine Angst«, sagte sie, sanft lächelnd. »Lukas kommt schon noch, da bin ich mir sicher.«
Marius schluckte, seine Stimme war rau. »Woher willst du das wissen?«
»Weil ich unserem Sohn vertraue, deshalb.« Anna deutete hoch zum Himmel, an dem voll und rund der goldglänzende Mond stand. »Und weil wir heute die Mittsommernacht feiern, den Tag des hellen Lichts.«
L aura folgte der Steintreppe, die in die Tiefe führte. Nur Augenblicke später stand sie in einem riesigen Raum, der fast stockfinster war. Vereinzelte Fackeln an den Wänden und Kerzen in metallenen Kandelabern verbreiteten spärliches Licht. Als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte sie, dass der Saal vollkommen leer war. Niemand war zu sehen. Am entgegengesetzten Ende führte eine weitere Treppe nach unten. Rasch ging Laura darauf zu.
Sie hatte noch keine fünf Schritte zurückgelegt, als sie einen ersten Eindruck von den Kräften des Dämons bekam: Beinahe wäre sie auf einen schwarzen Mantel getreten, den irgendwer achtlos auf den Boden geworfen haben musste. Gerade wollte sie ihn mit dem Fuß zur Seite schieben, als das unheilvolle Brausen anhob, das sie bereits am Alten Schindacker in Angst und Schrecken versetzt hatte.
Der Mantel begann zu zittern. Anfangs kaum merklich, dann richtete er sich ruckend mehr und mehr auf, bis er in voller Größe vor ihr schwebte. Es sah ganz so aus, als kleide er eine unsichtbare Gestalt. Schließlich zeichneten sich deutlich die Konturen eines gewaltigen Leibes in ihm ab – und schon stand Beliaal vor ihr. Trotz des Mantels stachen die riesigen Fledermausflügel auf seinem Rücken deutlich hervor, wie immer das auch möglich sein mochte!
Beliaals dunkle Dämonenfratze zeigte ein hämisches Grinsen, als er sich theatralisch vor Laura verneigte. »Willkommen in meinem Palast, Menschenkind«, sagte er. »Du musst meine Pflanzlinge sehr beeindruckt haben. Andernfalls hätten sie dir bestimmt keinen Zugang gewährt.«
Laura kämpfte gegen die Furcht an, die in ihr emporstieg. Beliaal durfte unter keinen Umständen merken, dass sie Angst vor ihm hatte – sonst würde er auf ihren Vorschlag niemals eingehen!
Der Dämon machte einen Schritt auf sie zu und starrte sie drohend an. »Mir scheint, du hast einen großen Fehler gemacht.«
»Einen Fehler?«, stieß Laura hervor.
»Offensichtlich hast du nichts aus unserer letzten Begegnung gelernt. Sonst wärst du nicht allein gekommen!«
Lauras Verwirrung wuchs.
Was meinte der Dämon bloß? Sie hatte ihm doch niemals gegenübergestanden! Ihre Hände zitterten, und ihre Knie fühlten sich an wie Wackelpudding.
Doch als sie das Rad der Zeit spürte, das sie unter ihrem Wams versteckt um den Hals trug, schöpfte sie neuen Mut und ihre Stimme wurde fester. »Ich habe den Torwächtern nur die Wahrheit gesagt. Nämlich, dass …«
»Schon gut«, fiel der Dämon ihr ins Wort. »Das habe ich auch vernommen.«
»Was?«, fragte Laura verblüfft. »Dann wollt Ihr Euch mein Angebot …«
Erneut unterbrach Beliaal sie. Seine lavafarbenen Augen funkelten wie Warnlichter in der Dunkelheit. »Natürlich! Sonst hättest du meine Schwelle nicht lebend überschritten.«
Puuuh!
Laura atmete tief durch. »Also gut«, sagte sie. »Ich wollte …«
»Hier doch nicht!«, fauchte der Dämon. »Das ist wahrlich kein angemessener Ort für ein Gespräch. Du sollst dich bei niemandem beklagen müssen, dass man dich im Schwarzen Schloss nicht zuvorkommend behandelt hätte.« Er grinste ihr ins Gesicht. »Vorausgesetzt, du bekommst jemals die Gelegenheit dazu!«
Der Thronsaal war mit Abstand der schrecklichste Raum im ganzen Schloss. Zumindest hatte Laura keinen schlimmeren gesehen, als sie Beliaal nach unten gefolgt war. Sie hatte genau mitgezählt: Der Palast des Dämons besaß sieben Stockwerke – falls es vom Thronsaal aus nicht noch weiter in die Tiefe ging. Doch außer dem Eingangsportal, das von diesen furchtbaren Mantikoren bewacht wurde, sah Laura keine weitere Tür in dem Raum. Also schien sie sich tatsächlich im untersten Geschoss zu befinden.
Beliaal ließ sich auf dem Thronsessel nieder und wies Laura den Stuhl daneben zu. Während der Dämon nach dem Hausdiener rief, einem verschlagenen Erdtroll, und Getränke bei ihm orderte – Saft für den Gast und Wein für sich selbst –, schaute sie sich verstohlen um und prägte sich jede
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