Laura Leander 06 - Laura und das Labyrinth des Lichts
konnten.
Laura vermutete längst, dass der Dämon Lukas und Smeralda an der geheimsten Stelle seines Palasts gefangen hielt – im Herz der Finsternis, wo er auch das eigene Herz verwahrte. Deshalb konzentrierte sie ihre Suche auf diesen mysteriösen Ort. Laura hatte schon zahlreiche Verstecke und Geheimtüren entdeckt, aber diesmal ließ ihr Spürsinn sie ihm Stich. Sie fand nicht den kleinsten Hinweis auf das geheime Refugium des finsteren Herrschers.
Beliaals Bedienstete gaben vor, den Eingang nicht zu kennen. Laura glaubte ihnen das sogar, so wenig sie ihnen sonst auch über den Weg traute. Aber es war durchaus wahrscheinlich, dass ihr Herr seine einzige verwundbare Stelle niemandem verraten hatte.
Aber irgendwo musste dieses Herz der Finsternis doch sein!
Obgleich Laura ihre erfolglose Suche im Thronsaal begonnen hatte, durchkämmte sie ihn ein zweites Mal. Vielleicht hatte sie ja etwas übersehen! Sie stöberte in allen Ecken, sah unter der großen Tafel nach, blickte hinter den Thronsessel, ruckelte am Kopf des schwarzen Einhorns und klopfte sämtliche Wände Zentimeter für Zentimeter ab, doch auch diesmal fand sie nichts Verdächtiges.
Es war einfach zum Verrücktwerden!
Niedergeschlagen ließ Laura sich auf einen der zahlreichen Stühle an der Tafel sinken, stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte das Kinn auf die Hände. Ihre Aussichten, Lukas und Smeralda zu finden, waren genauso düster wie ihr Gesicht, das ihr vom Spiegel an der Wand entgegenstarrte.
Wozu brauchte Beliaal überhaupt dieses riesige, bis zum Boden reichende Spiegelglas? Zumal es im Thronsaal so duster war, dass man ohnehin nicht viel darin erkennen konnte. Der Dämon machte nicht gerade den Eindruck, als würde er sein Aussehen regelmäßig im Spiegel überprüfen. Aber wozu hatte er dieses blanke Ungetüm sonst angebracht? Laura erhob sich und ging nachdenklich darauf zu.
Auf den ersten Blick konnte sie nichts Auffälliges entdecken. Fast der gesamte Thronsaal war auf der riesigen Spiegelfläche zu sehen, wenn auch seitenverkehrt. Doch da fiel Laura etwas auf, in der Ecke neben dem Thronsessel. Und als sie genauer hinsah, wusste sie plötzlich, wie sie ins Herz der Finsternis gelangte.
Morwena und Paravain waren trunken vor Glück. Die Wangen vor Freude, aber auch vom Wein gerötet, saßen die beiden inmitten ihrer Gäste im festlich geschmückten Rittersaal von Tintall und ließen sich das Hochzeitsmahl schmecken.
Der offizielle Teil des Festakts, bei dem der Hüter des Lichts den uralten Ritus vollzogen und den Weißen Ritter und die Heilerin förmlich zu Mann und Frau erklärt hatte, war längst vorbei. Die anfangs sehr feierliche Stimmung hatte sich gelöst und ausgelassener Fröhlichkeit Platz gemacht. Während die Geladenen Speisen und Getränke genossen, redeten sie wild durcheinander, scherzten und lachten und waren beinahe ebenso selig wie das Brautpaar. Keiner von ihnen neidete den beiden das große Glück, das ihnen deutlich sichtbar in den Gesichtern geschrieben stand. Schließlich zählten alle zum engsten Familien- oder Freundeskreis, und so lag jedem auch der leiseste Gedanke an Eifersucht oder Missgunst fern.
Als Paravain in die Runde blickte, sah er überall nur Freude. Alle waren bester Laune: Elysion und König Rumor, Oheim Mortas und sein Waffenmeister Falkas, die Weißen Ritter und die Garde der Hhelmritter, die alten Freunde und Freundinnen, die das Paar ebenfalls in den Rittersaal geladen hatte. Da viele von ihnen sich lange nicht gesehen hatten, war für genügend Gesprächsstoff gesorgt, sodass Langeweile erst gar nicht aufkam. Die Spielleute und Akrobaten taten sich deshalb schwer, die Aufmerksamkeit der Gäste zu erringen.
Der eigentliche Höhepunkt der Feier stand allerdings noch bevor: Sobald die beiden Monde Aventerras, der leuchtend gelbe Goldmond und der blaue Menschenstern, gemeinsam am Himmel standen, würden Morwena und Paravain hinaus auf den Balkon treten und im vollen Licht der Mittsommernacht die Geister, die über den Lauf der Welten bestimmten, um Schutz und Segen für ihren neuen Bund bitten.
Es musste bald so weit sein, denn als Paravain durch die offene Balkontür äugte, sah er, wie die Bahn der Monde sich langsam ihrem Zenit näherte. Das erinnerte ihn an etwas. Er beugte sich über den Tisch und sprach König Mortas an: »Habt Ihr nicht erwähnt, dass Ihr noch einen Gast erwartet, Oheim?«
»Ja, sicher.« Mortas hob die Brauen. »Warum fragst du?« »Weil er immer noch
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