Laura und das Labyrinth des Lichts
der Schwarze Ritter wieder hoch zur Mauer. »So lange können wir nicht warten. Deshalb werden wir Euch unser Anliegen vortragen.«
Galano sah Malko fragend an. Der alte Kämpe zuckte nur mit den Schultern.
»Wir haben uns entschlossen, die Seiten zu wechseln«, fuhr Aslan fort. »Wir möchten fortan Elysion dienen und bitten deshalb um Einlass in die Gralsburg!«
»Was?« Galano war fassungslos. Er hätte mit allem gerechnet, nur nicht damit!
»Ihr haltet uns wohl für töricht, Aslan!« antwortete Malko anstelle des jungen Ritters. »Warum solltet Ihr so etwas tun?«
»Wisst Ihr das wirklich nicht?« Der finstere Geselle wirkte ehrlich überrascht. »Haben eure Spione Euch nicht berichtet, wie es um die Dunkle Festung steht? Borboron ist unerträglich geworden und völlig unberechenbar. Sein blindwütiger Zorn kann jeden treffen, ohne besonderen Anlass. Unsere Henkersknechte kommen mit der Arbeit gar nicht mehr nach. Niemand ist seines Lebens sicher, selbst ich nicht, obwohl ich Borboron all die Jahre treu gedient habe.« Aslan deutete auf den schweigsamen Wolfsmann an seiner Seite. »Kroloff und seinen Männern ergeht es nicht besser. Deshalb bitten wir euch, edle Ritter: Gewährt uns Zuflucht in euren Mauern, und wir werden es euch gebührend vergelten.«
Galano überlegte fieberhaft. Er hatte bereits gehört, dass sich das Dunkle Heer in Auflösung befand. Aslan schien also die Wahrheit zu sagen. Und dennoch … Er stieß Malko an. »Was denkst du?«
Der Graubart schüttelte den Kopf. »Das ist nicht unsere Entscheidung. Nur unser Gebieter Elysion kann das abwägen.«
Galano richtete sich wieder auf. »Tut mir leid, Aslan! Ihr könnt gerne vor unseren Mauern lagern und warten, bis unser Herr zurückkehrt. Mehr kann ich nicht für Euch tun!«
Aslan sah ihn voll Verzweiflung an. »Die Zeit drängt, so versteht das doch! Borboron wird bald bemerken, dass wir uns abgesetzt haben, und seine restlichen Reiter hinter uns herschicken. Wenn sie uns erwischen, ist unser Leben verwirkt.«
»Hm«, brummte Malko. »Damit mag er Recht haben.«
»Wir können unmöglich länger warten«, fuhr Aslan fort. »Entweder ihr gewährt uns umgehend Schutz in euren Mauern, oder wir müssen in die Dunkle Festung zurückzukehren. Das Leben, das uns dort erwartet, ist zwar schlimmer als das eines Hundes. Aber selbst das schlimmste Leben ist allemal besser als der schönste Tod!«
Galano kratzte sich am Kinn. Malko hatte Recht. Nur der Hüter des Lichts konnte eine so schwer wiegende Entscheidung treffen. Er verwehrte den Überläufern also weiterhin den Zutritt zur Gralsburg.
»Der Teufel soll Euch holen!«, fluchte Aslan. »Ihr schickt uns in den sicheren Tod. Aber wie es Euch beliebt! Dann nehme ich mein Geheimnis eben mit ins Grab, und Ihr werdet den Namen des Verräters nie erfahren!«
»Den Namen des Verräters?« Galano wurde neugierig.
Aslan erinnerte den Gralsritter daran, dass es Borboron und seinen Männer vor gut dreißig Monden gelungen war, den Kelch der Erleuchtung aus dem Labyrinth des Lichts zu entwenden. »Dieser dreiste Diebstahl konnte nur gelingen, weil sich ein Verräter in euren Reihen befand – und immer noch befindet!«
Galano wollte ihm zuerst nicht glauben, doch Malko belehrte ihn eines Besseren. »Der Kerl hat leider Recht«, sagte er und spie aus. »Wir haben bis heute nicht herausgefunden, wer dafür verantwortlich ist.« Damit beugte er sich über die Zinnen und brüllte in die Tiefe: »Dann kennt Ihr diesen verräterischen Hund?«
»Natürlich!«, entgegnete Aslan entrüstet. »Oder glaubt Ihr, das war nur so dahingesagt?«
»Beweist es!«, forderte Galano ihn auf. »Nennt uns seinen Namen!«
Wieder beratschlagten Aslan und Kroloff Kopf an Kopf. Diesmal brauchten sie sehr lange, um zu einer Entscheidung zu gelangen. »Zum Teufel, was soll’s«, rief der Schwarze Ritter dann den Männern auf der Burgmauer zu. »Ich werde ohnehin meinen Kopf verlieren. Deshalb soll dieser Hund seinen auch nicht länger behalten. Berichtet Eurem Herrn also, wer ihm damals so übel mitgespielt hat: Es war der Wächter des Labyrinths – Luminian!«
I n einen altertümlichen Mantel gehüllt, wanderte Aurelius Morgenstern unruhig in seinem Wohnzimmer auf und ab. Trotz der späten Stunde konnte er an nichts anderes denken als an dieses antike Buch, an »Die Bruderschaft der Sieben«. Schon seit Tagen spukte ihm die Schrift im Kopf herum. Als sein guter Freund Pater Dominikus noch am Leben gewesen war, hatte
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