Laura und das Labyrinth des Lichts
Größe erreicht haben wird. Das Licht der beiden Vollmonde wird es segnen, und wenn Smeralda das Horn dann in den See taucht, werden die dem Elfenbein innewohnenden Zauberkräfte zur vollen Entfaltung kommen. Sie wird dann meine Nachfolge antreten. Wir anderen Einhörner aber verlieren den Karfunkelstein, der unter unserem Horn verborgen ist, sodass auch dessen besondere Kräfte fortan dem Licht dienen können.«
Herr Virpo flirrte vor seinen Kollegen herum und hob mahnend einen zierlichen Finger. »Ich muss mich sehr wundern, Herr Zirpo«, tadelte er. »Das alles ist jedem Flatterflügler doch bestens bekannt. Schon bei unserem allerersten Besuch im Leuchtenden Tal wird es uns von den Alten beigebracht, wenn sie uns mit unseren vielfältigen Aufgaben vertraut machen. Und der Schutz der Einhörner im Karfunkelwald …«
»Ja, ja!«, fiel ihm der Gescholtene ins Wort. »Man wird doch auch mal etwas vergessen dürfen, du … du … Besserweißling!« Mit beleidigter Miene verschränkte Herr Zirpo die dünnen Ärmchen vor der Brust und flatterte zur Seite.
Herr Virpo schüttelte den Kopf und wandte sich dann mit gerunzelter Stirn an die Einhornkönigin. »Bitte sorgt Euch nicht, Majestät«, sagte er. »Er wird sich schon bald wieder beruhigen. Nur damit Ihr es wisst: Wir haben es natürlich auch diesmal so gehalten, wie es seit Anbeginn der Zeiten Brauch ist. Seit der Geburt der neuen Einhornkönigin hat sich fast unser ganzes Volk in der Nähe des Schattenforstes versammelt. Von nun an werden unsere Spählinge ununterbrochen unterwegs sein, um jede Bewegung von Beliaal und den schrecklichen Kreaturen der Nacht zu beobachten. Sobald sie sich verdächtig verhalten oder gar versuchen, in den Karfunkelwald einzudringen, schlagen wir umgehend Alarm, damit Ihr alles Nötige zum Schutz Eurer Tochter veranlassen könnt.«
»Ich danke dir, Herr Virpo.« Silvana neigte den Kopf vor den silbrig glänzenden Geschöpfen, ihre Mähne wehte dabei im Wind wie ein seidiger Schleier. »Und euch beiden natürlich auch, ihr Herren Yirpo und Zirpo.«
»Nicht doch, Majestät!«, wehrte der oberste Angeber der Flatterflügler ab, und seine Verlegenheit war ausnahmsweise einmal nicht gespielt. »Wir setzen nur das Werk unserer Vorfahren fort und bemühen uns nach besten Kräften, um die zukünftige Königin vor Beliaal zu beschützen. Es wäre doch nicht auszudenken, wenn die Prinzessin dem Todesdämon in die Hände fallen sollte.«
»Ihr sagt es!«, seufzte die Einhornstute. »An die schrecklichen Folgen möchte ich gar nicht denken. Deshalb lasst uns die Geister, die über den Lauf der Welten bestimmen, um ihren Beistand anflehen, damit so etwas niemals geschehen möge!«
L ukas kam ein ungeheuerlicher Verdacht. Sie befanden sich auf dem Heimweg vom Krankenhaus, als der Junge die bedrückende Stille im Auto brach: »Was meint ihr – ob die Dunklen vielleicht hinter allem stecken?«
Während Anna sich auf dem Beifahrersitz überrascht umdrehte, warf Marius ihm einen ungläubigen Blick durch den Rückspiegel zu. »Die Dunklen? Wie kommst du denn auf diese Idee?«
»Wenn ich den Arzt richtig verstanden habe, gibt es keine erkennbare Ursache für Lauras Zustand.«
»Ja, und?«
»Es muss also etwas anderes im Spiel sein – schwarze Magie zum Beispiel.«
»Du meinst …?«
»Genau das meine ich.« Lukas nickte. »Dich hat der Fhurhur mittels seiner teuflischen Künste doch auch in diese Todesstarre versetzt, nicht wahr?«
Marius runzelte die Stirn. »Erinnere mich nicht daran!«
»Bei uns ist so etwas gänzlich unbekannt. Deshalb würde auch kein Arzt der Welt die Ursache dafür herausfinden, da halte ich jede Wette!«
»Gut möglich«, brummte der Vater.
»Ganz bestimmt sogar!« Lukas hob den Zeigefinger und stocherte aufgeregt in der Luft herum. »Und Lauras Symptome sind genau umgekehrt zu deinen damals: Dein Körper war erstarrt, während dein Geist hellwach blieb. Bei ihr arbeitet der Körper ganz normal, aber ihre Gehirnfunktionen spielen verrückt.«
Marius schwieg nachdenklich.
Anna hingegen schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass du auf der richtigen Spur bist.«
Die übliche Skepsisfalte kerbte sich in Lukas’ Stirn. »Und wieso nicht?«
Anna sah ihren Sohn ernst an. »Wir haben dir doch erzählt, was der Weiße Ritter Paravain berichtet hat: Unsere Feinde sind im Augenblick so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass wir nichts von ihnen zu befürchten haben.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«,
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