Laura und das Labyrinth des Lichts
wohin du reisen musst.« Mit sanftem Lächeln fügte er hinzu: »Mit deinem Gedächtnis ist es im Moment ja nicht gerade zum Besten bestellt.«
Erstaunt blickte Laura auf das Papier, auf dem das Datum und der Ort ihrer Geburt festgehalten waren. »Woher kennst du …«, wollte sie fragen.
»Du wirst es schon bald verstehen, Laura«, sagte Auriel beruhigend. Dann schärfte er ihr noch eindringlich ein, auf ihrer Traumreise die allergrößte Vorsicht walten zu lassen. »Bei deinem Ausflug in die Vergangenheit wirst du mit Sicherheit auf deine Feinde treffen. Auch wenn du dich nicht mehr daran erinnerst – die Dunklen haben dir von jeher nach dem Leben getrachtet. Sei also stets auf der Hut, denn ihnen ist alles zuzutrauen.«
»Als ob ich das nicht selbst wüsste!«, maulte Laura und verzog das Gesicht. »Trotzdem ist es mir ein Rätsel, warum du dir so viele Sorgen um mich machst.«
Auriel sah sie verwundert an. »Und warum?«
»Ganz einfach – weil alle Traumreisen in die Vergangenheit nichts an der eisernen Regel ändern können: Was geschehen ist, ist geschehen und kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Oder stimmt das etwa nicht?«
»Doch, Laura, das stimmt. Wieso fragst du?«
»Weil das beweist, dass die Dunklen mir trotz aller Bemühungen nichts anhaben konnten. Sonst wäre ich doch längst nicht mehr am Leben!«
»Damit hast du natürlich Recht. Trotzdem ist das noch lange kein Grund, es auf deiner Reise an der nötigen Achtsamkeit fehlen zu lassen.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Laura kopfschüttelnd.
»Nein?« Der Geflügelte wirkte nun selbst überrascht. »Dabei ist das doch so einfach! Pass auf: Natürlich wird sich an deinem früheren Leben nichts ändern, wenn du nun in deine eigene Vergangenheit zurückreist.«
»Aber?«
»Dennoch kannst du nicht wissen, ob du in deiner Traumgestalt nicht Einfluss darauf genommen hast, wie sich dein bisheriges Dasein entwickelt hat. Möglicherweise hast du ja ausgerechnet auf der nun vor dir liegenden Reise die entscheidenden Weichen für dein eigenes Schicksal gestellt!«
Allmählich dämmerte es Laura. »Du meinst also, ich könnte auf meinem Ausflug in die Vergangenheit den Lauf meines eigenen Lebens beeinflusst haben?«
»Genauso ist es«, bestätigte der Wolkentänzer. »Was deiner Traumgestalt dabei jedoch widerfahren ist, kann im Augenblick niemand wissen. Denn obwohl deine Traumreise dich zurück zum Anfang deines Lebens führt, liegt sie im Moment noch vor dir.
Wenn dir auf dieser Reise also etwas zustößt«, fuhr Auriel mit großem Ernst fort, »oder deine Feinde dich gar töten sollten – was die Geister, die über den Lauf der Welten bestimmen, verhindern mögen! –, wird deiner körperlichen Hülle genau das Gleiche widerfahren.« Er legte die Schwanenfittiche dicht aneinander. »Ich hatte gedacht, das sei dir längst klar.«
Natürlich!
Der Geflügelte hatte Recht!
Wie weit sie in der Zeit auch zurückreisen mochte, ihre Traumgestalt blieb stets mit dem Körper in der Gegenwart verbunden. Und da das Ergebnis dieser Reise ungewiss war, konnte sie dabei möglicherweise sogar den Tod finden! Wie dumm von ihr, dass sie das nicht auf Anhieb bedacht hatte!
Die Worte des Wolkentänzers holten sie aus den trüben Gedanken. »Es sind allerdings nicht nur die Dunklen, vor denen du auf der Hut sein musst!«
»Nein? Vor wem denn noch?«
Auriel zögerte kurz, als wüsste er nicht so recht, wie er es erklären sollte. »Der Umstand, dass du die Traumreise gegen deinen Willen angetreten hast, bringt es mit sich, dass du auf einen Gegner stoßen wirst, der dir weit gefährlicher werden kann. Nämlich …« Der Wolkentänzer brach ab.
»Nun sag schon!«, drängte ihn das Mädchen. »Verrate mir endlich, wer es ist!«
»Du bist es, Laura«, antwortete der Geflügelte. »Du selbst wirst dir zum größten Feind werden!«
»Was?«, rief Laura in ungläubigem Entsetzen. »Wie soll das denn möglich sein?«
»Nur Geduld. Du wirst es schon bald verstehen!«
Laura war nun völlig durcheinander. Die Aussage des Wolkentänzers hatte sie so aufgewühlt, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Mit vor Schreck geweiteten Augen sah sie ihn flehend an. »Wirst du mich begleiten und mich beschützen?«
Auriel hob bedauernd die Schwingen. »Nein.«
»Aber warum denn nicht?«, wollte Laura wissen. »Du hast doch selbst erwähnt, wie gefährlich das ist.«
»Stimmt! Aber du brauchst mich gar nicht.«
Laura verstand überhaupt nichts
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