Laura - Venezianisches Maskenspiel
Stellen angebracht waren. Dazu trug sie eine bunt bemalte Maske sowie eine lächerlich hohe Perücke, in der allerlei Kleinkram wie Früchte und Blumen und – er konnte seinen Augen kaum trauen – sogar etwas wie ein Vogelnest eingearbeitet war, sodass sie Mühe hatte, den Turm auf ihrem Kopf zu balancieren.
„Den Weg hierher hätte ich mir also doch sparen können“, dachte er mit einer Mischung aus Erleichterung und sogar Mitleid, als er seine unattraktive Frau von der Ferne betrachtete. Es gab zwar immer wieder Männer, die schon um der Jagdlust willen in fremden Revieren wilderten, aber auf dieses Reh würde wohl nicht so schnell jemand aufmerksam werden.
Er wartete, bis sein kleines Frauchen von einem Tänzer aufgefordert worden war, und er in Ruhe einige Worte mit seiner Schwester wechseln konnte.
„Sie ist sehr modebewusst“, verteidigte Marina ihre Schwägerin, als er nach der Begrüßung eine Bemerkung über das Kleid seiner Frau fallen ließ, dessen einziger Vorteil seiner unausgesprochenen Meinung nach darin bestand, dass es ziemlich hoch geschlossen war.
„Trotzdem solltest du sie vielleicht in einem ... nun, etwas weniger romantischen Kleid auf Bälle begleiten“, sagte er mit unverkennbarer Ironie, während er die lästige Maske aus seinem Gesicht schob. „Die Rüschen …“
„Was hast du an ihrem Kleid auszusetzen?“, unterbrach ihn Marina erstaunt, ohne sich lange zu wundern, dass Domenico seine Frau in all dem Treiben überhaupt schon entdeckt hatte. Sie selbst hatte Laura seit längerem nicht mehr gesehen und sie vermutete, dass sie sich mit einem Verehrer zurückgezogen hatte. Nicht, dass sie es ihr nicht vergönnte, es war ihrer Meinung nach sogar schon höchste Zeit, dass ihre Schwägerin ein wenig Sittsamkeit ablegte. Nur, dass Domenico ausgerechnet an diesem Abend auftauchte, war äußerst unliebsam.
„Es ist sehr elegant, sehr hübsch. Findest du es etwas zu gewagt?“ Sie sah an ihrem eigenen Dekolleté hinab. „Es ist nicht viel weiter ausgeschnitten als mein eigenes, nur ein ganz klein wenig – du weißt ja, wie engstirnig Carlo oft sein kann – aber niemand kann mir wohl einen Vorwurf machen, dass ich nicht dem guten Ton entsprechend gekleidet wäre!“
„Nein, nein.“ Domenico winkte ab. Das Thema begann ihn bereits zu langweilen und er bereute schon, überhaupt eine Bemerkung gemacht zu haben.
„Ich hatte auch keine Beschwerde. Es war lediglich ein kleiner Hinweis. Es ist nicht nötig, dass sie sich lächerlich macht.“ Nicht, dass er gewollt hätte, dass sein unscheinbares Frauchen so auffallend gekleidet war wie Ottavios Schönheit in ihrem grünen Kleid, aber wenn Laura zu lächerlich auftrat, warf dies kein gutes Licht auf ihren Ehemann.
„Ach, ja?“, fragte Marina mit hochgezogenen Augenbrauen. Sie musterte ihren Bruder mit offensichtlicher Abscheu. Sie vermied zwar sonst eine Auseinandersetzung, in der ihr Bruder es meist schaffte, sie mit wenigen sarkastischen Worten dastehen zu lassen wie ein dummes Ding, aber hier, im vollen Ballsaal – in ihrer Welt – fühlte sie sich sicher. Außerdem liebte sie ihre Schwägerin von Herzen und war immer und jederzeit bereit, zu ihrer Verteidigung einzutreten.
„Und du denkst, dass Laura oder ich es nötig hätten, ausgerechnet von dir kleine Hinweise entgegenzunehmen? Von einem Mann, der sich erwiesenermaßen nichts aus zumindest angemessener Kleidung macht? Der hier – auf diesem Ball – herumläuft, als wäre er dem nächsten Bauernhof entsprungen? Ohne Perücke? Mit diesen grässlichen Schuhen, dieser langweiligen dunklen Jacke, wie die alten Leute sie tragen? Ohne Schönheitspflästerchen, das ihm wenigstens ein wenig Flair geben würde? Der sich nicht einmal die Mühe macht, seine Maske wieder herunterzuziehen, um uns die Demütigung zu ersparen, als zur Familie zugehörig erkannt zu werden?!“
„Ich wäre dir dankbar, wenn du deine Stimme etwas dämpfen könntest“, erwiderte Domenico scharf.
Marina wedelte nervös mit dem Fächer und wies hinter ihn. „Nun, ich schlage vor, dass du deiner armen Gattin selbst sagst, was an ihrem Kleid du so unpassend findest. Hier ist sie nämlich selbst!“
Domenico wandte sich um und zwang sich zu einem väterlichen Lächeln, das er für gewöhnlich für sein Klosterkindchen übrig hatte. Als jedoch sein Blick auf seine Frau fiel, erstarben ihm die freundlich herablassenden Begrüßungsworte auf den Lippen. Er stand fast eine Minute lang da und starrte
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