Laura - Venezianisches Maskenspiel
Eingangshalle schlug ihm schon Musik, das Stimmengewirr und der typische Lärm gutgelaunter Menschen entgegen, die fröhlich feierten, sich dem Austausch der allerneuesten Gerüchte und heimlichem Liebesgeflüster hingaben. Venedig war nicht anders als Paris. Hier wie dort herrschte diese Gesellschaft mit all ihren Intrigen, ihrem dummen Geschwätz und ihren hohlen Köpfen, aber es war ihm damals, vor einem Jahr, ganz angenehm gewesen, die Einladung eines Freundes anzunehmen und nach Paris zu reisen. Dort war er wenigstens nicht an die Traditionen und einengenden Gesetze seiner Heimat gebunden und konnte leben, wie es ihm gefiel – ohne Rücksicht auf seine Familie und seinen Ruf nehmen zu müssen.
Er drückte dem Diener in der Halle seinen schwarzen Umhang und seinen Dreispitz in die Hand, stieg die breite Treppe hinauf und blieb nun in der Tür zum Ballsaal stehen, um seine Blicke über die Anwesenden schweifen zu lassen. Alle, wie auch er selbst, waren maskiert, trugen Perücken und zum Teil lächerlich aufgeputzte Kleidung.
Er lächelte einer stark geschminkten Frau zu, die ihm eine unzweideutige Aufforderung zuflüsterte, verneigte sich vor ihr, küsste die Hand und ging dann weiter, froh, dem aufdringlichen Geruch ihres Parfüms und ihrem Gesicht, das alleine schon durch Puder, Rouge und den schwarz nachgezogenen Augenbrauen wie eine Maske wirkte, entronnen zu sein. Er drängte sich durch das Treiben und schaffte es, sich vor einigen kichernden Masken in eine Türnische zu retten, von wo aus er, halb verdeckt von einem schweren dunkelroten Samtvorhang, den Saal überblicken konnte.
Von Laura war weit und breit nichts zu sehen. Unter anderen Umständen hätte er es nicht so eilig gehabt, seine Frau wiederzutreffen, aber in diesem Fall war es vielleicht nicht unklug, sich im Schutz der Maske ein Bild von ihrem Benehmen zu machen, solange sie noch arglos war und nicht ahnte, dass ihr Gatte sie beobachtete. So konnte er gleich feststellen, inwieweit der Brief der Wahrheit entsprach. Es konnte trotz der Maskeraden nicht schwierig sein, Laura zu erkennen. Das schüchterne Ding hielt sich gewiss immer ganz in der Nähe seiner Schwester auf.
Durch die spaltbreit geöffnete Tür hinter ihm waren Stimmen zu hören. Zuerst wollte er gleichgültig darüber hinweggehen, aber dann erkannte er an der näselnden Aussprache seinen Vetter Ottavio und horchte genauer hin. Wenn er sich nicht täuschte, dann lag hinter dieser Tür einer der kleinen Salons, die die Gastgeber besonderen Gästen, die sich nach intimer Zwei- oder Mehrsamkeit sehnten, zur Verfügung stellten. Er selbst hatte schon einige sehr anregende Stunden mit zwei venezianischen Schönheiten dort drinnen verbracht, und sein Vetter Ottavio hatte offenbar auch die Gunst der Stunde und einer Schönen zu nutzen gewusst und sich zurückgezogen.
Jetzt hörte er wieder die Frauenstimme – sehr weich – auch wenn ihre Besitzerin aufgebracht zu sein schien, denn es drangen einige erregte Worte zu ihm hindurch. War die Dame etwa widerspenstig? War sie wütend auf Ottavio? Oder war das eben ihre Art des Liebesspiels, bevor sie sich von ihm verführen ließ? Er wurde neugierig. Eine Frau, die ein Liebesspiel mit so lebhaften Worten begann, konnte ihn auch interessieren. Er achtete darauf, dass er vom Vorhang verdeckt wurde und niemand im Saal ihn bemerken konnte, und öffnete die Tür etwas mehr. Er hatte Glück. Die beiden hielten sich in der Mitte des Zimmers auf. Ottavio, in der lächerlichen Verkleidung eines Satyrs, stand schräg mit dem Gesicht zur Tür, war jedoch so in den Anblick der Frau vor ihm vertieft, dass er nicht herübersah.
Von der Frau sah Domenico nur einen Teil des Profils. Aber das allein versprach schon genug. Er betrachtete sie mit Kennerblick. Eine wogende Brust. Eine schmale, eng geschnürte Taille, die durch den Reifrock noch betont wurde. Im Gegensatz zu den meisten anderen balancierte sie keine pompöse Karnevalsperücke auf dem Kopf. Das gepuderte volle Haar war lediglich hochgesteckt und einige neckische Locken fielen auf weiße, hübsch rundliche Schultern. Ein dunkelgrünes, mit goldenen Blumen besticktes Kleid schmiegte sich am Oberkörper an wie eine zweite Haut. Domenico konnte nur ahnen, welche Reize der vom Rock verdeckte Teil ihres Körpers noch bot, aber er hatte wenig Mühe, sich einen runden festen Hintern vorzustellen, üppige weiße Schenkel, zwischen denen man mollig weich lag, zierliche Füßchen. Sein Vetter hatte
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