Laura - Venezianisches Maskenspiel
Martinelli ist wohl die einzige, die sich eines klugen Kopfes rühmen darf?“, entfuhr es Laura gekränkt. Sie dachte an den Tag, an dem ihr nur wenige Tage nach Domenicos Abreise auf einem der Bälle wieder diese schöne Nicoletta begegnet war, und wie diese sie abfällig gemustert hatte. Der Neid auf diese bildschöne Frau, die für ihre Bildung und Klugheit bekannt war, die ihr von vornherein die Liebe ihres Mannes gestohlen hatte, waren gallenbitter in ihr hochgestiegen, und in diesem Moment hatte sich etwas in ihr verändert. Ihr Stolz war erwacht und sie hatte nichts anderes im Sinn gehabt, als diese und alle anderen auszustechen. Niemand sollte hinter vorgehaltener Hand über sie tuscheln und sagen können, dass Domenico Ferrante bei der Wahl seiner Geliebten mehr Geschmack bewiesen hätte als bei jener seiner Gattin!
„Die Klöster, in denen ihr Frauen lebt und erzogen werdet, sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren“, sagte Domenico erbittert, nachdem er sich von ihren Worten erholt hatte. Was zum Teufel fiel ihr ein, ihm ausgerechnet jetzt mit Nicoletta zu kommen?! Er erhob sich, seltsam enttäuscht von der Wendung, die diese eben noch so reizvolle Situation genommen hatte. „Früher wäre es keiner jungen Frau eingefallen, ihrem Mann den Namen seiner Mätresse ins Gesicht zu schleudern und ihm gegenüber solche Worte zu gebrauchen! Fast hätte ich Lust, dich wieder ins Kloster zurückzuschicken!“
Er bückte sich, hob das kostbar gebundene Buch auf und betrachtete es mit spöttisch verzogenen Lippen. Lippen, die noch vor knapp einer Minute so dicht an den ihren gewesen waren. „Dante? Du scheinst es mit den anderen Damen zu halten, die sich Bücher auf den Nachttisch legen, um damit vorzugeben, sie zu lesen. Nun, wie du willst.“ Er warf das Buch mit einem abfälligen Schultzerzucken neben sie auf das Bett.
„Ich hasse dich!“, schrie ihm Laura, verletzt über diese abfällige Bemerkung nach, als er sich anschickte, das Zimmer zu verlassen. Ihr Temperament war ebenfalls einer ihrer Charakterzüge, an dem die guten Klosterschwestern vergeblich gearbeitet hatten, und sie wusste jetzt schon, dass sie ihr kindisches Verhalten in spätestens zwei Stunden bereuen würde.
Domenico hob die Schultern. „Damit werde ich wohl leben müssen“, sagte er betont gleichmütig und schloss die Tür mit einem Knall hinter sich, dass die Wände erzitterten.
* * *
Noch zwei Stunden später rannte Domenico wütend in seinem Arbeitszimmer hin und her, wohin er sich zurückgezogen hatte, um in Ruhe über diese Abfuhr nachdenken zu können.
Verschmäht! Zurückgewiesen von seiner eigenen Frau, die es seinem Vetter, diesem geistlosen Beau erlaubt hatte, sie zu küssen und zu betatschen! Wenn er sich bisher noch gelinde über Lauras romantische Einfalt amüsiert hatte, so ballte er nun – angesichts dieser Demütigung und Kränkung – zornig die Fäuste.
Das konnte er ihr nicht durchgehen lassen. Nicht ausgerechnet einer Frau, die vom Tag ihrer Heirat an in Tränen aufgelöst gewesen war, und die so wenig übrig hatte für Leidenschaft und Hingabe, dass sie noch den feurigsten Liebhaber zu einem Stein verwandelt hätte. „Da hätte ich genauso gut meine Liebeskünste an einem Strohsack erproben können“, murmelte er, erbittert über diese Ungerechtigkeit. Dabei hatte er sich in der ersten Nacht alle Mühe gegeben, hatte seine eigene Enttäuschung über diesen Mangel an weiblicher Erotik, der ihm da geboten worden war, hinuntergeschluckt und tapfer weitergemacht, in der Hoffnung, wenigstens ein wenig Widerhall zu finden, ein kleines Echo.
Er hatte sich bei seiner Ankunft in Venedig vorgenommen gehabt, Laura auf frischer Tat zu ertappen und sie dann – wenn möglich schwanger – auf dem Landgut auf der Terraferma einzusperren, um selbst wieder freie Hand zu haben und ohne befürchten zu müssen, dass man ihm Hörner aufsetzte. Sie war jedoch, wenn er die Szene zwischen Ottavio und ihr richtig gedeutet hatte, noch nicht sehr weit vom Pfad der Tugend abgekommen, und er selbst war von ihrem veränderten Aussehen, ihren neuen, bisher ungeahnten Reizen so beeindruckt gewesen, dass er tatsächlich drauf und dran gewesen war, seine ehelichen Pflichten auch noch mit Freude zu erfüllen.
Wie sehr er sich um sie bemüht hatte! Vor dem sicheren Tod durch Erfrieren in dieser Eiswanne hatte er sie gerettet. Und was war der Dank gewesen?! Beleidigungen und eine Abweisung!
„Na warte nur“, murmelte er erbost.
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