Laura - Venezianisches Maskenspiel
wartenden Gondel ihrer Freundin befunden. Gerade, als sie sich hinter Concettas Ehemann durch eine der engen Häuserfluchten gedrängt hatte – vor ihr der Kanal mit Concettas Gondel – war ihr aufgefallen, dass ihre kleine Gruppe Zuwachs bekommen hatte. Es war ein Harlekin in Schwarz und Weiß mit einer roten Rose aus Seide in der Hand, die er ihr mit einer leichten Verbeugung reichte, bevor sich ganz selbstverständlich sein Arm um sie legte. Dabei war sein Gesicht mit der furchterregenden Pestmaske und der langen Nase ihrem Ohr so nahe gekommen, dass sie seinen Atem spüren konnte.
„Eine nie verwelkende rote Rose der Liebe und der Bewunderung für die schönste Maske Venedigs. Erwartet mein Schreiben, in dem ich Euch mehr sagen will, madame.“ Es war kaum mehr als ein Raunen, und dann war er fort gewesen.
Sie war wie angewurzelt stehen geblieben, hatte ihm nachgeblickt, bis Concetta, die den kleinen Zwischenfall nicht bemerkt hatte, sie am Arm ergriffen und zur wartenden Gondel gezogen hatte. Das war nun schon einen Tag her, aber die Erinnerung daran, wie er sie besitzergreifend an sich gepresst, sie seinen Körper hatte spüren lassen, wollte nicht von ihr weichen, und sie hatte sich diese wenigen Momente immer wieder ins Gedächtnis zurückgerufen.
Und nun hatte er seine Worte wahr gemacht und sie hielt sein Schreiben in ihren Händen. Sie brach das Siegel auf und entfaltete mit zitternden Fingern und vor Aufregung heißen Wangen das Papier. Sie besah sich zuerst die Schrift, bevor sie den Text las. Eine sehr männliche Schrift war das, mit steilen, energischen Buchstaben. Sie glitt mit dem Finger über die Zeichen, dann begann sie zu lesen.
„Chère madame …“
Er hätte sie schon des Längeren beobachtet, schrieb er, und sei so sehr in Leidenschaft zu ihr entbrannt, dass er kaum noch schlafen könne. Ihr leuchtendes Bild stünde Tag und Nacht vor seinen Augen und er müsse sterben, wenn sie ihm nicht die Gunst erweise, sie einmal unter vier Augen zu sehen und auch sprechen zu dürfen. Dann würde er in Frieden von dannen gehen oder bereit sein, jedes Los zu ertragen, welches das Schicksal für ihn ausersehen hatte. Aber diese eine, letzte Gnade, wolle sie doch einem, der sich in Leidenschaft zu ihr verzehre, erweisen.
Laura schüttelte lächelnd den Kopf. Welche romantischen Worte. Wohl übertrieben, aber liebenswürdig und artig.
Eine günstige Gelegenheit sei, so schrieb er weiter, der Ball der Calergi in zwei Tagen, zu dem sie, wie er wohl wusste, ebenfalls geladen war. Dann fügte er noch einige Beteuerungen seiner übergroßen Liebe hinzu, beschwor sie abermals, auf den Ball zu kommen, und nannte ihr den Ort, wo er sie dort treffen wollte. Darauf folgte seine Unterschrift:
„Euer ergebenster Diener, der unerkannt bleiben muss aus Gründen, die er
Euch unter vier Augen darlegen wird.
Euer Cavaliere d’Amore.“
Es konnte kein Zweifel darüber bestehen, wer dieser Harlekin und ‚Cavaliere d’Amore’ war. Laura hatte mit einem Blick die elegante Gestalt Ottavios erkannt – jener Domenicos so ähnlich – auch wenn sie sich wunderte, weshalb er sie in dem Brief standhaft „chère madame“ nannte und weshalb er so geheimnisvoll tat. Aber vermutlich hielt er dies für sinnlich, und außerdem war es in der gehobenen Gesellschaft Venedigs ja auch üblich, sich der französischen Sprache zu bedienen. Sie selbst hatte begonnen, ihre Fertigkeit in dieser Sprache, die sie im Kloster nur in ihren Grundlagen erlernt hatte, zu verbessern, denn es zeugte von Lebensart und Bildung.
Sie besah sich sinnend den Brief. Domenicos Vetter war der bei Weitem bestaussehende und charmanteste Mann Venedigs. Ein Mann, der jede Frau haben konnte, der aber ausgerechnet ihr so unverdrossen den Hof machte und nun sogar einen so reizvollen Weg ersonnen hatte, um ihr eine Nachricht zukommen zu lassen. Wie gut tat ihr das nach dem Verhalten ihres Mannes! Sie rief sich Ottavios Aussehen ins Gedächtnis, auch wenn das ein wenig schwierig war, da sich immer Domenicos Gesicht dazwischenschob. Ottavios elegante modische Perücke, das Schönheitspflästerchen, das seinen wohlgeformten Mund betonte, die gutsitzende bestickte Jacke mit den langen, die Hände bedeckenden Spitzenmanschetten, die Seidenstrümpfe und die mit Edelsteinen besetzten Schnallenschuhe. Den elegantesten Mann Venedigs nannte man ihn. Er hatte sie anfangs sehr an Domenico erinnert. Was auch nicht weiter verwunderlich war, schließlich war er einer
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