Laura - Venezianisches Maskenspiel
Er wusste noch nicht, wie er seine Frau eines Besseren belehren konnte, aber dass er es tun würde, stand außer Zweifel. Es gab einen Punkt, wo ein Mann nicht mehr über seinen mit Füßen getretenen Stolz hinwegsehen konnte. Und dieser war erreicht.
Ottavio! Ha! War dieser lächerliche Geck etwa besser als er?! Anziehender? Ein besserer Verführer? Seine Augen wurden schmal, als er an seinen Vetter dachte. Es war ihm nach dem Ball zugetragen worden, dass sein Vetter fast ständiger Gast im Hause war und sich neben Patrizio Pompes, Lauras legalem cicisbeo, offenbar zusätzlich einen Platz erobert hatte, der sogar so weit ging, sie zu küssen und verführen zu wollen. Bei dem Gedanken, seine Frau könne über kurz oder lang in den Armen seines Vetters liegen und ihm mit Freuden das gewähren, was sie ihm vorenthielt, sah er rot. Er würde ihn zur Rede stellen und ihn dann zwingen, sich mit ihm zu duellieren. Duelle waren in Venedig verboten, aber irgendwo auf dem Festland, vielleicht auf seinem eigenen Landgut, würde es niemanden kümmern, wenn er ihm den Degen durch den Leib rammte. Das konnte er nicht auf sich sitzen lassen. Da konnte er sich gleich eine dieser Karnevalsmasken mit Hörnern aufsetzten und durch die Straßen rennen!
Er hielt in seinen Überlegungen inne.
Der Karneval.
Eine Idee blitzte durch seinen Kopf, die es vielleicht wert war, gründlicher bedacht zu werden. Natürlich. Der Karneval! Weshalb war ihm das nicht sofort eingefallen! Hier bot sich die Gelegenheit, seine Frau von ihren romantischen Verstiegenheiten zu heilen und aus ihr eine Gattin zu machen, die ihm in jeder Beziehung ergeben sein würde. Ein grimmiges Lächeln erschien auf seinen Zügen. Jetzt wusste er, wie er sich rächen und sein widerspenstiges, keckes Weib klein bekommen konnte.
Der Cavaliere d’Amore
L aura sah fasziniert auf den versiegelten Brief, den ihr ihre Zofe Anna soeben heimlich mit einem verschwörerischen Ausdruck im Gesicht auf ihr Zimmer gebracht hatte. Anna hatte gesagt, ein junger Bursche hätte ihn abgegeben und ihr dringlichst eingeschärft, ihn nur ihrer Herrin und ja sonst niemandem anderen auszuhändigen. Und nun saß sie vor ihrem Frisiertisch, voller Neugier und voller romantischer und fantastischer Vorstellungen, wer wohl der Absender sein mochte. Etwa gar dieser Maskierte, der sie am Vortag durch die Flut der anderen Leute hindurch in den engen Gassen verfolgt und ihr dann die Seidenrose in die Hand gedrückt hatte?
Sie war in Begleitung ihrer Freundin Concetta, deren Ehemann und deren Schwager gewesen. Alle vier hatten natürlich Masken getragen, wenn auch etwas fantasievoller als an den gewöhnlichen Tagen des Jahres. Concetta hatte überall auf ihrem Kleid und ihrem Domino Federn angenäht und aufgesteckt und war herumgeflattert wie ein bunter Vogel. Die beiden Männer waren als Harlekine verkleidet gewesen und Laura hatte ein duftiges, hellblaues Kleid mit hellblauer Maske getragen und dazu eine Perücke aus dem schönsten Blond, das ihr Friseur hatte auftreiben können, ferner einen Domino, dessen weite Kapuze sie als zusätzlichen Schutz noch über Kopf und Gesicht ziehen konnte. Domenico war vor zwei Tagen verreist, fast unmittelbar nach dieser unschönen Szene in ihrem Schlafzimmer. Angeblich war er zu einer geschäftlichen Angelegenheit außerhalb Venedigs gerufen worden, die seine Güter auf der Terraferma betraf, aber Laura glaubte nicht recht daran, sondern argwöhnte, dass er entweder wieder nach Paris fuhr oder sich an einem anderen Ort mit einigen anderen Frauen vergnügte. Aber wie auch immer, jedenfalls hatte er ihr damit die Gelegenheit geboten, sich ein wenig aufzuheitern. Sie war sich zwar immer noch nicht ganz klar, ob sie sich tatsächlich amüsiert hatte, dazu war der Ärger über Domenico und ihr eigenes würdeloses Verhalten noch viel zu stark, aber sie hatte es eben versucht. Schon um ihren Ehemann wenigstens für einige Stunden zu vergessen.
Trotz der im Januar herrschenden Kälte hatten sich von flackernden Fackeln und Lampions beleuchtete Masken in den engen Gassen und auf den Brücken gedrängt. Gelächter, heimliche und offene Liebesworte waren durch die Nacht geflogen, und die Luft hatte vibriert vom Duft der Romantik und der Liebe. Laura war wie im Traum durch die Straßen und über die Brücken getanzt. Sie waren zu Fuß unterwegs gewesen, um das Treiben besser auskosten zu können, hatten sich aber bereits wieder auf dem Weg zu der in einem Seitenkanal
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