Lausbubengeschichten. Aus meiner Jugendzeit
schwierig! Ich wollte noch schweigen, wenn ihr den dorischen Dialekt im Auge hättet, da seine härtere Mundart gewisse Schwierigkeiten bietet. Aber der attische, diese glückliche Ausbildung des altjonischen Dialektes! Das ist unerhört! Diese Behauptung zeugt von einem verbissenen Vorurteil!«
Meine Mutter war ganz unglücklich und sagte immer: »Aber ich meinte bloß ... aber weil Ludwig ...«
Marie half ihr auch und sagte: »Heini, du mußt doch denken, daß Mama es nicht böse meint.«
Da hörte er auf, und ich dachte, daß er immer noch so dumm ist wie früher.
»Heini ist furchtbar eifrig in seinem Beruf; sonst ist er so gut, aber da wird er gleich heftig,« sagte Marie, und meine Mutter war gleich wieder lustig.
»Das muß sein,« sagte sie, »in seinem Berufe muß man eifrig sein. Und du weißt jetzt, Ludwig, wie leicht das Griechische ist. Ja, was macht denn das kleine Mimili? Das sitzt so brav da und sagt gar nichts!«
Das Mädel schaute meine Mutter an und lachte. Auf einmal machte es seinen Mund auf und sagte: »Gugu – dada.«
Es strampelte mit den Beinen und streckte seine Hand dabei aus.
Es war doch gar nichts, aber alle taten, als wenn ein Wunder gewesen ist.
Meine Mutter war ganz weg und rief immer: »Habt ihr gehört! Das Kind! Gugu – dada!«
»Sie meint, der gute Papa. Gelt, Mimi? Und die liebe Omama!« sagte Marie.
»Nein, wie das Kind gescheit ist!« sagte meine Mutter. »In dem Alter! Das habe ich noch nicht erlebt. Das liebe Herzchen!«
Der Bindinger lachte auch, daß man seine großen Zähne sah. Er bückte sich über den Tisch und stach dem Mädchen mit dem Zeigefinger in den Bauch und sagte: »Wart, du Kleine, duzi, duzi!« Und zu meiner Mutter sagte er: »Sie hat einen lebhaften Geist und beobachtet ihre Umgebung mit sichtlicher Teilnahme. Ich hoffe, daß sie sich in dieser Richtung weiter entwickelt.«
Meine Mutter wollte, daß ich es auch sehe, aber ich war so giftig auf den Bindinger und fragte: »Was hat es denn gesagt?«
»Hast du nicht gehört, wie sie ganz deutlich sagte: gugu – dada?«
»Das ist doch gar nichts,« sagte ich.
»Es heißt der gute Papa,« sagte Marie und wurde ganz weinerlich. »Du bist recht abscheulich, Ludwig!«
»Wie kannst du das nicht verstehen?« sagte meine Mutter und schaute mich zornig an. »Das versteht jeder Mensch.«
»Ich kann es gar nicht verstehen,« sagte ich.
»Weil du überhaupt nichts weißt, loser Bube!« schrie Bindinger und machte blitzende Augen, wie in der Schule; »wenn du jemals den Aristoteles kennen lernen wirst, so wirst du begreifen, daß die Sprache unseres Kindes die onomatopoetische, die schallnachahmende Wortbildung ist.«
Er brüllte so laut, daß der Fratz zu weinen anfing. Marie nahm es auf den Arm und ging damit auf und ab. Meine Mutter ging daneben und sagte: »Will das Kindchen lustig sein? Will das Kindchen nicht mehr sprechen, gugu – dada?«
Aber der Bindinger lief hinterdrein und sagte: »Nein, es soll nicht sprechen! Es soll hier nicht mehr sprechen! Dieser Bube hat vor nichts Ehrfurcht.«
Ich machte mir aber gar nichts daraus.
Gute Vorsätze
Ich war auf einmal furchtbar fromm. Drei Wochen lang hat uns der Religionslehrer Falkenberg vorbereitet auf die heilige Kommunion, und ich habe zum Fritz gesagt: »Wir müssen ein anderes Leben anfangen.«
Den Fritz hat es auch gepackt, weil der Falkenberg einmal so weinte und sagte, er kann es nicht verantworten, einen verdorbenen Knaben zum Tisch des Herrn zu schicken.
Weil neulich vor dem Kommunionunterricht an die Türschnalle Senf hingeschmiert war und der Religionslehrer meinte, es ist etwas anderes.
Ich habe gewußt, daß es der Fritz getan hat, und ich habe mich schon gefreut, daß der Falkenberg eingegangen ist, aber er hat uns eine halbe Stunde lang beten lassen, daß die Freveltat vorübergeht. Und wie es vorbei war, sagte der Fritz zu mir, ob ich glaube, daß wir es weggebetet haben. Ich sagte, daß ich es glaube, weil der Falkenberg sonst nicht aufgehört hätte. Aber ich sagte: »Du mußt auch ein anderer werden, Fritz. Probiere es nur, es geht ganz gut.« Er fragte, ob ich es fertig gebracht habe.
Ich sagte: »Ja, weil ich jetzt furchtbar fromm bin. Die Tante Fanny gibt immer Obacht, wenn ich im Gebetbuch lese, und sagt zu Onkel Pepi, daß mit mir eine Veränderung geschehen ist. Sie glaubt, daß ich in mich gegangen bin, und ich glaube es auch, weil ich jetzt schon eine Viertelstunde lang beten kann und nicht denke, wie ich
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