Lausbubengeschichten. Aus meiner Jugendzeit
nicht leiden kann. Onkel Franz ist der reichste in der Familie; er hat eine Buchdruckerei und ist sehr fromm, weil er eine katholische Zeitung hat. Wenn man zu ihm geht, kriegt man ein Heiligenbild, aber nie kein Geld oder zu essen. Er tut immer so, als ob er Lateinisch könnte; er war aber bloß in der deutschen Schule. Die Tante Gusti ist noch frömmer und sagt immer zu meiner Mutter, daß wir zu wenig in die Kirche gehen, und daher kommt das ganze Unglück mit mir.
Wie sie hereinkamen, sind sie zuerst auf den Pfarrer los, und dann hat Tante Gusti die Tante Frieda geküßt und Tante Frieda sagte: »Du hast ja heute deinen Granatschmuck an. Das können wir freilich nicht.«
Am meisten hat es mich gefreut, daß der Onkel Hans kam mit Tante Anna. Er ist Förster, und ich war schon in der Vakanz bei ihm. Er war lustig mit mir und hat immer gelacht, wenn ich ihm die Tante Frieda vormachte, die verdammte Wildkatze, sagte er. Heute hatte er einen Hemdkragen an und fuhr alle Augenblicke mit der Hand an seinen Hals. Ich glaube, er war verlegen, weil so viele Fremde da standen, und ging immer in die Ecke.
Die Sakristei wurde immer voller. Von unserem Gymnasium kamen der Mathematikprofessor und der Schreiblehrer. Und dann die Verwandten vom Bindinger; zwei Schwestern von ihm und ein Bruder, der Turnlehrer an der Realschule ist und die Brust furchtbar herausstreckte. Mit den Herren fuhren immer junge Mädchen, die ich nicht kannte. Nur eine kannte ich, die Weinberger Rosa, eine gute Freundin von Marie.
Alle hatten Blumensträuße; die hielten sie sich immer vor das Gesicht und kicherten recht dumm, wenn es auch gar nichts zum Lachen gab.
Jetzt kam meine Mutter mit dem Onkel Pepi, der Zollrat ist, und gleich darauf der Bindinger und Marie und der Brautführer. Das war ein pensionierter Hauptmann und ein entfernter Verwandter vom Bindinger. Er hatte eine Uniform an mit Orden und Tante Frieda sagte zu Tante Gusti: »Na, Gott sei Dank, daß sie einen Offizier aufgegabelt haben.«
Die Türe von der Sakristei wurde aufgemacht, und wir mußten in einem Zug in die Kirche.
Der Bindinger und Marie knieten in der Mitte vor dem Altar, und der Pfarrer kam heraus und hielt eine Rede und fragte sie, ob sie verheiratet sein wollen. Marie sagte ganz leise ja, aber der Bindinger sagte es mit einem furchtbaren Baß. Dann wurde eine Messe gelesen, die dauerte so lange, daß es mir fad wurde.
Ich schaute zum Onkel Hans hinüber, der von einem Bein auf das andere stand und in seinen Hut hineinsah und räusperte und sich am Kopf kratzte.
Dann sah er, daß ich ihn anschaute, und er blinzelte mit den Augen und deutete mit dem Daumen verstohlen auf die Tante Frieda hinüber. Und dann fletschte er mit den Zähnen, wie sie es immer macht. Ich konnte mich nicht mehr halten und mußte lachen. Der Bruder vom Bindinger klopfte mir auf die Schulter und sagte, ich solle mich anständiger betragen, und Tante Gusti stieß Tante Frieda an, daß sie zu mir herübersah, und dann schauten alle zwei ganz verzweifelt an die Decke und schüttelten ihre Köpfe.
Endlich war es aus, und wir zogen alle in die Sakristei. Da ging das Gratulieren an; die Herren drückten dem Bindinger die Hand, und die Tanten und die Mädchen küßten alle die Marie.
Und Tante Gusti und Tante Frieda gingen zu meiner Mutter, die daneben stand und weinte, und sagten, es ist ein glücklicher Tag für sie und alle.
Dann umarmten sie auch meine Mutter und küßten sie, und Onkel Hans, der neben mir stand, hielt seinen Hut vor und sagte: »Gib acht, Ludwig, daß sie deine alte Mutter nicht beißen.«
Ich mußte nun auch zum Bindinger hin und gratulieren. Er sagte: »Ich danke dir und ich hoffe, daß du dich von jetzt ab gründlich bessern wirst.« Marie sagte nichts, aber sie gab mir einen herzhaften Kuß, und meine Mutter strich mir über den Kopf und sagte unter Tränen: »Gelt, Ludwig, das versprichst du mir, von heute ab wirst du ein anderer Mensch.«
Ich hätte beinahe weinen müssen, aber ich tat es nicht, weil Tante Frieda nahe dabei war und ihre grünen Augen auf mich hielt. Aber ich nahm mir fest vor, meiner lieben Mutter keinen Verdruß mehr zu machen.
Im Gasthaus zum Lamm war das Hochzeitsmahl. Ich saß zwischen Max und der Anna von Tante Frieda. Von meinem Platze aus sah ich Marie und den Bindinger; meine Mutter sah ich nicht, weil sie durch einen großen Blumenstrauß versteckt war. Zuerst gab es eine gute Suppe und dann einen großen Fisch.
Dazu kriegten wir Weißwein,
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