Lauschangriff - Im Visier der Feinde: Thriller (German Edition)
Stunden Zeitunterschied – dort war es jetzt 17.30 Uhr, und der Mullah dürfte vor dem Abendgebet noch in seinem Büro sein.
Trotz des Sonnenscheins war es auf dem Deck empfindlich kalt. Der Himmel war klar, weshalb Ibrahim davon ausging, dass er eine erstklassige Verbindung nach Yorkshire haben würde. Niemand sonst ließ sich auf dem Deck blicken, das Schiff hielt Kurs nach Osten, und Ibrahim wählte die Nummer. Scheich Abdullah freute sich, von ihm zu hören, und begrüßte ihn als »meinen Sohn«, was Ibrahim für ein gutes Zeichen hielt.
»Der russische Trawler«, sagte er dem Mullah, »legt morgen Nachmittag in Island an. Yousaf und ich werden dann sofort zum Flughafen nach Reykjavik fliegen, und wenn wir in der Maschine nach Europa sitzen, werde ich zum ersten Mal wieder lächeln können, seitdem der Bus in Canaan explodiert ist.«
Scheich Abdullah versuchte ihn zu mehr Vorsicht zu überreden. »Pass auf, was du sagst, auf dem Nordatlantik hören viele mit.«
»Nicht hier auf diesem Schiff«, antwortete Ibrahim. »Niemand ist auf Deck. Ich bin ganz allein.«
»Auf Wiedersehen«, sagte der Scheich. »Möge Allah euch nach Hause bringen.«
Ibrahim hatte in einem recht gehabt. Die Satellitenverbindung war sehr gut. Zu gut. Das gesamte Handygespräch warvom Horchposten der US-Navy an der kalten Nordküste Islands abgehört worden.
Der Posten gehörte zu den höchstentwickelten Überwachungsstationen der Erde und lag mitten in der GIUK-Lücke – der gedachten Linie vom Norden Großbritanniens über Island nach Grönland, durch die jedes russische U-Boot auf seinem Weg in den Atlantik kommen musste.
Amerikanische und britische Abhörspezialisten erfassten sie alle, angefangen von den relativ kleinen dieselelektrischen Jagd-U-Booten der Kilo-Klasse bis zu den atombetriebenen Giganten der Typhoon-Klasse mit ihren Interkontinentalraketen. Weder die Amerikaner noch die Briten hatten in ihrer Wachsamkeit jemals nachgelassen. Man sagte noch immer, wenn irgendwo entlang der GIUK ein Wal furze, platze einem halben Dutzend US-Abhörspezialisten das Trommelfell.
In diesem Gebiet ist ebenfalls das extrem empfindliche SOSUS-System installiert – das Sound Surveillance System der US-Marine; Hydrophone, die am Meeresgrund installiert sind und Geräusche aller sie passierenden Schiffe erfassen, seien es U-Boote, Ozeandampfer, Fischerboote oder Kriegsschiffe. Das System erfasst nicht die genaue GPS-Position, sondern kann das fragliche Objekt lediglich in ein zehn mal zehn Seemeilen großes Planquadrat positionieren. Verlässt das Objekt dieses Planquadrat wieder, löst es an verschiedenen Stellen Alarm aus.
Neben anderen Schiffen in der Gegend war auch Destinows Odessa auf ihrem Weg nach Island registriert worden. Elektronische Kommunikation war an diesem Tag im Gebiet um Island kaum wahrgenommen worden. Es gab keine Kriegsschiffe, nur Fischerboote, deren Geplauder über das Wetter vom Horchposten in Husavik mehr oder weniger ignoriert wurde.
Ibrahims Telefonat nach Bradford aber war kein Fischerei-Geplauder. Die GIUK-Leute waren hellwach, wenn etwas außerhalb des Gewöhnlichen eintraf. Als daher ein junger Techniker plötzlichen einen arabischen Terroristen aufschnappte, der seinen Vorgesetzten anrief, lief die Husavik-Maschinerie auf Hochtouren.
Dank der von Commander Ramshawe herausgegebenen Warnung war schnell klar, worum es ging. »Yousaf«, einer der Namen, passte. »Russischer Trawler« passte ebenfalls perfekt. Zielhafen: offensichtlich Reykjavik. Weiterflug nach Europa. Und dann natürlich der Satz, der voll ins Schwarze traf: der Bus, der »in Canaan explodiert ist«.
Was sie natürlich nicht wussten, war der Name des Schiffes, woher es kam und welchen isländischen Fischereihafen es anlief. Island verfügte über eine Menge Häfen, aber es war nun mal nicht amerikanisches Hoheitsgebiet, sodass diplomatische Unterstützung nötig wäre, wollte man Näheres in Erfahrung bringen.
Husaviks kurzer Bericht wurde sofort an die Marineaufklärung in Washington weitergeleitet. Commander Ramshawe rief Mack Bedford in Maine an.
»Ich fliege sofort in den Nahen Osten«, sagte Mack. »Die Wahrscheinlichkeit, dass wir die Typen in Island verpassen, ist relativ hoch, schließlich wissen wir nicht, wo sie anlanden. Möglicherweise steht für sie bereits eine Privatmaschine bereit. Die beiden fliegen auf jeden Fall nach Hause. Und das bald. Wir könnten es in Island versuchen, aber ich würde nicht darauf setzen.
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