Lauschangriff - Im Visier der Feinde
kommen, wie sie offiziellen Kriegsgefangenen zustand.
Natürlich gehörte es zu den ironischen Momenten der Geschichte, dass Colonel Renton, ein Anwalt guter alter militärischer Schule und entschlossen, sämtliche Feinde der USA hinter Schloss und Riegel zu bringen, einen Sohn hatte, der, ebenfalls Anwalt, jetzt hier auf Kuba war, um genau diese Feinde zu befreien.
»Die Zeiten haben sich geändert«, war der oft zitierte Ausspruch von Renton Junior. Sein Vater hätte ihm dafür sicherlich einen veritablen Tritt in den Hintern verpasst, hätte er gewusst, wo sich Tom gerade aufhielt. Man durfte davon ausgehen, dass er es nicht wusste.
Sergeant Ransom brachte die beiden Anwälte zum Büro des Kommandeurs des Gefangenenblocks, Colonel Andy Powell, der sie kühl begrüßte und ihnen Eistee anbot. Die überhitzten Anwälte hätten sich in diesem Augenblick auch auf geeistes Sumpfwasser eingelassen, lehnten sich zurück und hörten sich an, welchen Einschränkungen sie sich während ihres Aufenthalts unterwerfen mussten.
»Sie sind im Guantanamo-Hotel untergebracht«, erklärte Colonel Powell. »In der Umgebung dort gibt es Restaurants und Bars, ich habe Ihnen zwei Zimmer reservieren lassen. Hüten Sie sich aber davor, sich auf die billigen einheimischen Huren einzulassen, sonst werden Sie feststellen, dass Ihnen Modder aus dem Schwanz tropft, bevor Sie wieder zu Hause sind.«
James Myerson nickte weise, Renton lachte. »Wie kommen wir zum Hotel, Sir?«
»So wie Sie auch hergekommen sind. Mit dem Hubschrauber.«
»Danke, Sir. Wir wollen zwei Tage bleiben, wenn Sie nichts dagegen haben, und dann direkt nach Washington zurückkehren.«
»Kein Problem. Zwei bewaffnete Wachen werden Sie auf Schritt und Tritt begleiten und Sie in den Gefangenenblock bringen. Ich zweifle nicht daran, dass die Männer, auf die Sie es abgesehen haben, auf unserer Liste mit den gefährlichsten Insassen stehen.«
»Sir, können Sie uns bei deren namentlichen Identifizierung behilflich sein?«
»Das kann ich Ihnen nicht abschlagen. Ich habe Befehl vom Pentagon, mit Ihnen zu kooperieren, und trotz meiner tief verwurzelten Abneigung gegen Ihr Ansinnen werde ich alles tun, um Ihnen zu helfen.«
»Danke, Sir«, erwiderte Myerson.
»Mich beschleicht der Verdacht, dass Sie keine Vorstellung davon haben, wie gefährlich diese Leute sind. Bleiben Sie wachsam, denn sollte einer von denen zufällig an ein Messer kommen, wird er nicht zögern, Ihnen die Kehle aufzuschlitzen. Meine Wachen haben den Befehl, bei Vorkommnissen dieser oder ähnlicher Art sofort von der Schusswaffe Gebrauch zu machen.«
»Ist es jemals zu solchen Vorkommnissen gekommen?«, fragte Renton.
»Gelegentlich. Aber wir versuchen so etwas natürlich zu unterbinden. Ich gehe davon aus, dass Sie ein Berufungsverfahren auf Grundlage des Habeas Corpus anstrengen«, fuhr Colonel Powell fort. »Ich darf Sie daran erinnern, dass der Antrag dafür nur dann meine Unterschrift bekommt, wenn der Gefangene eindeutig identifiziert ist, mit Name und Adresse.«
»Und wünschen Sie, dass Name und Adresse von dritter Seite bestätigt werden?«, fragte Renton.
»Aber sicher«, schnauzte der Colonel. »Ich unterzeichne doch nichts für irgendwelche Gespenster. Und sie kommen hier erst raus, wenn ich überzeugt bin.«
»Ja, Sir«, erwiderte Myerson.
Shakir Khan hatte zu einem dringenden Treffen im Innenhof seines Anwesens in Peshawar geladen. Versammelt waren Kaiser Rashid und der mysteriöse Scheich Ali al-Sabah, Bin Ladens Stabschef und Kopf hinter den angeblichen, dem arabischen Fernsehsender Al-Dschasira zugespielten Aufnahmen. Scheich Ali war mutmaßlich der Einzige, der mit Sicherheit wusste, ob Bin Laden tot oder noch am Leben war.
Shakir Khan operierte im Verborgenen an tausend Fronten. Er wusste, dass Yousaf und Ibrahim in Guantanamo einsaßen, und er wusste, dass die unnachgiebigen Anhänger des Dschihad ihren amerikanischen Wärtern absolut nichts verraten würden.
Khan, überaus weltgewandt und selbstbewusst, ließ sich nicht leicht hinters Licht führen. Er besaß einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Karatschi und hatte an der Brown University in Rhode Island, wo Verwandte von ihm lebten, eine Postgraduiertenstelle für Politik und Wirtschaft besetzt.
Khan hatte bereits vermutet, dass die Amerikaner das Fehlen von Name und Adresse dazu nutzen würden, um die Betreffenden so lange festzuhalten, wie es ihnen beliebte. Das Problem war nur: Weder
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