Lauschangriff - Im Visier der Feinde
Berufungsverfahren unterschieden sich deutlich von Prozessen. Es gab natürlich keine Zeugen, jeder Seite wurden höchsten zwei Anwälte zugestanden, in diesem Fall allerdings sprach jeweils nur einer für die jeweilige Seite.
Die Richter hatten sich bereits mit den schriftlichen Anträgen befasst und dem Verfahren auf Grundlage des Habeas Corpus stattgegeben. Das Prozedere der Anhörung war erst am Abend zuvor von der Geschäftsstelle ausgearbeitet worden, die ebenfalls dem Vorschlag von James Myerson nachgekommen war, die Anhörungen der vier Antragsteller zusammenzulegen, statt vier einzelne Anhörungen durchzuführen.
Die Plätze im hinteren Teil des Gerichtssaal waren dicht besetzt, und der gesamte dritte Stock des Gebäudes wurde vonUS-Marshals überwacht und war für die Öffentlichkeit und sogar für andere Anwälte gesperrt.
Im Gerichtssaal 11 waren etwa ein Dutzend Offiziere anwesend, drei Politiker und sechs Mitarbeiter der CIA. Neben und jeweils zwischen den vier Antragstellern, die in Anzug und Krawatte erschienen, aber noch ihre Handschellen trugen, saßen bewaffnete Wachen.
Dazu waren im Gerichtssaal vier Vertreter der israelischen Botschaft anwesend, der Zweck ihrer Anwesenheit war nur Eingeweihten bekannt – denn Israel hatte es mindestens ebenso sehr auf Ben al-Turabi und Abu Hassan abgesehen wie die Navy SEALs auf Ibrahim Sharif und Yousaf Mohammed.
Wenn nötig, wäre der Mossad sogar bereit gewesen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und die beiden nach Israel zu schaffen, um sie zu exekutieren. Die Aussicht, dass der amerikanische Richter Ben und Abu die Freiheit schenkte, jagte ihnen regelrechte Angst ein – zwei Männer, die in Israel unvergleichliche Gräueltaten begangen hatten, würden in die Freiheit entlassen. Das oft zitierte Motto des Mossad lautet: Wir vergessen nie. Das ungeschriebene lautet: Wir vergeben nie.
Commander Al Surprenant, der Top-Anwalt der Navy am Stützpunkt in San Diego, war am Tag zuvor in Begleitung dreier hochrangiger SPECWARCOM-Kommandeure eingeflogen.
Die SEALs hatten einige Verluste zu beklagen gehabt, um Männer wie Ibrahim und seine Leute dingfest zu machen, und jeder von den US-Spezialkräften im Gerichtssaal hoffte natürlich, dass Commander Surprenant mit seiner geschmeidigen Zunge die Richter zur Vernunft bringen würde, das hieß, zu dem, was das Militär unter Vernunft verstand, aber nicht unbedingt die Zivilrechtsprechung.
»Erheben Sie sich!«, wurde ausgerufen, als Richter Stanford Osborne mit den übrigen Richtern den Saal betrat. Die wichtigsten Akteure in dem Verfahren waren mit den Fakten vertraut.
Auch den Richtern war bewusst, wie schwierig es für das Militär war, Beweise, zivilrechtliche Beweise , dafür zu liefern, dass diese Schurken wirklich die Verbrechen begangen hatten, denen sie niemals offiziell angeklagt worden waren.
Aber darum ging es nicht. Sondern darum, ob sich die Vereinigten Staaten auf eine Stufe mit einer Bananenrepublik stellen und diese Männer auf unbefristete Zeit einsperren durften, ohne dass diese jemals angeklagt wurden, ohne aussagekräftige Beweise für ihre Schuld und ohne Möglichkeit, dagegen Berufung einzulegen. Schließlich hatten sie wie alle anderen Anspruch auf die Menschenrechte.
James Myerson machte den Anfang und argumentierte, dass es trotz gegenteiliger Überzeugung des Militärs massive Zweifel an den vorgeblichen Beweisen gebe. »Möglicherweise haben diese Männer Verbrechen begangen«, sagte er. »Aber keiner hat sie gesehen. Keiner kann es bezeugen. Und jeder dieser Männer schwört bei Gott, dass er unschuldig ist.
Ich bin nicht hier, um ihre Unschuld zu verteidigen. Ich stehe hier vor Ihnen, weil es in der gesamten Geschichte der amerikanischen Justiz, von den Gründervätern bis ins 21. Jahrhundert, nie mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar gewesen war, dass ein Gericht der Vereinigten Staaten von Amerika erklärt, es wäre ihm gleichgültig, ob der Angeklagte schuldig oder nicht schuldig sei.
Das, Euer Ehren, entspricht nicht den Grundsätzen Amerikas, sondern eher denen eines Stalins oder eines Pol Pot oder wie immer er geheißen haben mag. Es wäre bezeichnend für eine Bananenrepublik, aber nicht für uns. Nein, Sir, nicht für uns. Und gleichgültig, welche Verfehlungen diese Männer begangen oder nicht begangen haben, sie haben Jahre ihres Lebens in einem der grausamsten Gefangenenlager der westlichen Welt zugebracht.
Und mit jedem Monat, in denen sie Folter
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